13.5.2008 - Osnabrücker Zeitung
Missbrauchsfälle lasten schwer auf Kirche
Die Schande des Missbrauchs von Kindern lastet so schwer auf der katholischen Kirche, dass erst kürzlich Papst Benedikt XVI. ein Machtwort sprach: Die Kirche werde „Pädophile vom Priesterdienst absolut ausschließen“, kündigte er an. In Deutschland stützen sich Bistümer seit fünfeinhalb Jahren auf Richtlinien zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen.
Obwohl seitdem weitere Fälle Schlagzeilen machten, sehen Experten die Kirche grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Laienverbände hingegen pochen auf mehr Prävention und ein noch energischeres Vorgehen. Auf dem Katholikentag in Osnabrück (21. bis 25. Mai) spielt sexuelle Gewalt nur am Rande eine Rolle.
„Das Thema wird unterschätzt“, meint der Geschäftsführer der „Initiative Kirche von Unten“, Bernd Hans Göhrig. „Das wird in den deutschen Bistümern immer noch vernachlässigt.“ Statt bloß Kirchenvertreter als Ansprechpartner bei Missbrauchsvorwürfen einzusetzen, müssten kompetente externe Fachleute beteiligt werden. Dem aber stehe der starke Korpsgeist in der Kirche entgegen, auch die Führungsstrukturen hemmten einen offenen Umgang mit der Problematik. Schon bei der Ausbildung von Priestern müsse an die Prävention gedacht werden, wobei die Kirche bisher zu wenig auf die gute Arbeit von Jugendverbänden zu dem Thema zurückgreife.
„Die Leitlinien sind relativ gut“, urteilt Christian Weisner von der kirchenkritischen Laienbewegung „Wir sind Kirche“. Allerdings fehlen in vielen Bistümern eine unabhängige Beratung und einfach zugängliche Angebote für mögliche Opfer. Statt eines Klerikers müsse ein Arzt oder Therapeut als erster Ansprechpartner bereitstehen. „Das scheint so ein tiefes Problem in der katholischen Kirche zu sein“, sagte Weisner. Es gebe die Vermutung, dass früher auch Priester Opfer von Missbrauch geworden seien und dies der Verarbeitung der Problematik im Wege stehe.
Anders als oft vermutet, schließen Experten das Eheverbot für Priester als Auslöser für Missbrauchsfälle in der Kirche aus. Eher hätten Betroffene im Zölibat eine Art Chance gesehen, die von ihnen innerlich abgelehnten pädosexuellen Neigungen durch einen generellen Verzicht auf Sexualität abwehren zu können, meint Prof. Norbert Leygraf vom Institut für Forensische Psychiatrie in Essen, das im Auftrag der Kirche Mitarbeiter nach Missbrauchsfällen begutachtet. Nach seiner Einschätzung hält die Kirche sich sehr sorgsam an den Rat von Experten, wenn es um die Weiterbeschäftigung von Priestern nach Missbrauchsproblemen gehe. Problematisch sei die anschließende Gruppentherapie, bei der Priester sich schwerlich „outen“ könnten.
Missbrauch sei nicht kirchenspezifisch, sondern komme in allen Berufen vor, in denen Erwachsene mit Jugendlichen zu tun hätten, erklärt Chefarzt Manfred Lütz vom Kölner Alexianer Krankenhaus, das Therapiemöglichkeiten für Kirchenmitarbeiter bietet. Die mögliche Gefahr durch einen angehenden Priester lasse sich wissenschaftlich kaum voraussagen. Wie Kirchenkritiker Weisner sagt, komme es zu Missbrauch überall dort, wo Erwachsene ein Macht- oder Abhängigkeitsverhältnis ausnutzten, meist aufgrund einer nicht entwickelten Sexualität. Der angerichtete Schaden sei über die einzelnen Opfer hinaus immens, das Image der gesamten Kirche leide.
Auf Hilfe von außen setzt inzwischen das Bistum Hildesheim. Eine Fachärztin für psychotherapeutische Medizin stehe als unabhängige Ansprechpartnerin für mögliche Opfer bereit, sagt Domkapitular Heinz- Günter Bongartz. Als bischöflicher Beauftragter für die Problematik lasse er sich von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe beraten. Bei der Priesterausbildung spiele das Thema eine viel größere Rolle als noch vor einigen Jahren. „Trotzdem können wir sexuellen Missbrauch durch einen unserer Geistlichen auch in Zukunft nicht ganz ausschließen, wir würden aber in solchen Fällen alles versuchen, um das Leiden der Opfer zu mindern.“
Als vorbildlich lobt die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, die klaren Worte des Papstes: „Dass er als Leitfigur der katholischen Kirche sexuellen Missbrauch öffentlich gemacht hat, ist ein wichtiger Schritt.“
Zuletzt geändert am 13.05.2008