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Veröffentlicht am 19­.05.2008

19.5.2008 - Braunschweiger Zeitung

"Die Ignoranz des Papstes ist erschreckend"

Unermüdlich fordert Christian Weisner seit Jahren Reformen in der katholischen Kirche: keine Pflicht zur Ehelosigkeit für Priester, ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Christen anderer Konfessionen, eine offenere Sexualethik, die Beteiligung von Laien, die Ordination von Frauen. Weisner ist Sprecher der katholischen Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Die Bewegung beteiligt sich am Katholikentag, der heute in Osnabrück beginnt. Mit Christian Weisner sprach Cornelia Steiner.

Wie steht es um die Ökumene?

Die Gemeinden haben schon viel erreicht. Die eigentlichen Störfeuer kommen von oben. Nehmen wir nur das verletzende Vatikan-Schreiben Dominus Iesus, das 2000 veröffentlicht wurde und den Kirchen der Reformation das Kirche-Sein abspricht. Papst Benedikt hat es im letzten Jahr sogar noch einmal bestätigt. Es ist auch schmerzhaft, dass sich in Fragen des gemeinsamen Gottesdienstes und der Gastfreundschaft bei Eucharistie und Abendmahl nichts bewegt. Die Sehnsucht der Menschen danach ist da!

Beim Kirchenvolksbegehren 1995 reagierten die Bischöfe sehr schroff auf die Forderungen der Bewegung „Wir sind Kirche“. Gibt es inzwischen einen Dialog?

Kaum, obwohl uns das sogar von Rom zugesichert wurde. Aber auch dem Zentralkomitees der katholischen Kirche geht es nicht viel besser. Erst im Herbst 2007 hat die Bischofskonferenz deren neue Initiative für ein „Pastorales Zukunftsgespräch“ abgelehnt. Da sind die Menschen in den Gemeinden natürlich frustriert. Sie werden gar nicht mehr ernst genommen. Es brodelt überall.

Wäre es nicht besser, die Forderungen abzuschwächen, um ein Entgegenkommen zu erleichtern?

Nein, denn unsere Forderungen sind theologisch begründet und mittlerweile weltweit zu einem Reformaktion geworden. Die römisch-katholische Kirche tut sich nur von jeher schwer, Änderungen umzusetzen. Es gibt den Spruch, dass sie erst das erlaubt, was schon 30 Jahre lang verbotenerweise durchgeführt wurde. Die Ignoranz des Papstes zum Beispiel in Fragen des Pflicht-Zölibats ist natürlich erschreckend. Das Zölibat ist eine Idealvorstellung, die nicht mehr überzeugend gelebt wird.

Was steht der katholischen Kirche bevor, wenn sie nicht auf die Reformforderungen eingeht?

Wir stehen erst am Anfang eines Austrocknungsprozesses. Noch sind die Kirchen gut integriert und eine wichtige soziale Stütze. Doch Studien zeigen, dass sie schon jetzt viele Menschen nicht mehr erreichen. Die Hoffnung, dass die Menschen zur Kirche kommen, wenn sie älter sind, hat sich als falsch erwiesen. Wenn die katholische Kirche so weiter macht, bringt sie sich selbst in eine unbedeutende Position. Wir erleben das doch seit Jahren am Rückgang der Mitglieder, am Priestermangel, an der Zusammenlegung von Gemeinden. Der Papst fährt einen Kurs, der von Ängstlichkeit, Resignation und Ausgrenzung geprägt ist. Aber das muss nicht sein – die christliche Botschaft hat etwas zu bieten, sie ist eine Botschaft der Hoffnung und der Befreiung.

Zuletzt geändert am 19­.05.2008