18.5.2008 - DPA
«Geschenk» oder Belastung - beim Zölibat bewegt sich die Kirche nicht
Osnabrück (dpa/lni) - Um die Zukunft der Gesellschaft und der Kirche geht es beim anstehenden Katholikentag in Osnabrück. Der Zölibat, ein Thema, das noch vor drei Monaten Schlagzeilen gemacht hat, spielt keine zentrale Rolle auf dem katholischen Laientreffen: Die Frage nach der Ehelosigkeit der katholischen Priester habe für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) derzeit keine besonders hohe Priorität, sagt ZdK-Sprecher Theodor Bolzenius. «Das letzte Papier des ZdK dazu wurde vor etwa zehn Jahren verfasst.»
Noch im Februar schien Bewegung in das Thema zu kommen. Damals wurde der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch zum neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. Kurz darauf sorgte er mit der Forderung für Aufsehen, es solle keine «Denkverbote» geben. Der Zölibat sei «nicht theologisch notwendig», sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Inzwischen betont Zollitsch, der Zölibat sei ein «Geschenk» für die Kirche. «Außerdem würde es für unsere Kirche eine Zerreißprobe bedeuten, wenn der verheiratete Priester käme», sagte Zollitsch in seinem jüngsten Interview mit der «Schwäbischen Zeitung». Eine Veränderung der kirchlichen Position ist also nicht in Sicht.
Die Ehelosigkeit ist laut zweitem Vatikanischen Konzil für die Priester die «angemessene Lebensform», sagt der Leiter des Osnabrücker Priesterseminars, Regens Martin Schomaker. Der Beruf erfordere eine «hohe Präsenz und Radikalität», betont auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. In der Tat: Wer sich dazu entscheidet, katholischer Priester zu werden, nimmt ein schweres Leben auf sich. Er übt einen verantwortungsvollen Rund-um-die-Uhr- Posten aus und muss unter anderem nahezu ständig für andere Menschen erreichbar sein.
Letztlich sei der Priester in seinem Beruf sehr einsam, schildert Claus Schiffgen, seit kurzem Vorsitzender der «Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen». «Wenn Sie versuchen, sich einem Menschen in ihrer Gemeinde anzuvertrauen, können Sie sehr schnell ins offene Messer laufen.» Sich anderen Menschen zu öffnen, sei «ganz schwierig». «Priester können sich zu sogenannten Priestergemeinschaften zusammenschließen und dort über persönliche Probleme sprechen», erläutert Schiffgen. Als er noch Priester war, habe er sich mit seinen Kollegen alle vier Wochen getroffen. Ein Ersatz für eine Familie sei das nicht gewesen.
«Ich rate jedem hier im Seminar, sich einen festen Freundeskreis zu suchen, mit dem man über alle Probleme sprechen kann», sagt Regens Schomaker. Ein solches Netzwerk müsse gepflegt werden. «Es ist wichtig, Menschen zu kennen, bei denen man auch einmal die Etikette sein lassen kann», betont der Priesterausbilder. Er wisse allerdings auch, dass es viele katholische Pfarrer gibt, die sich im Lauf ihres Berufslebens nach der Ehe sehnen, räumt Schomaker ein. «Mit dem Zölibat wird ein menschliches Grundbedürfnis ignoriert», kritisiert Schiffgen.
Der Vorsitzende der Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche», Christian Weisner, sieht im Zölibat auch eine wesentliche Ursache für den Priestermangel in der katholischen Kirche. Die wenigen Pfarrer müssten durch die Reorganisationen der Gemeinden immer mehr Menschen betreuen. «Die Pfarrer sind dadurch zusätzlich ausgebrannt», kritisiert Weisner. Dass die freiwillig gewählte Ehelosigkeit in der katholischen Kirche eine lange Tradition hat, will er nicht bestreiten, betont aber: «Der Zölibat ist eine Idealvorstellung, die schwer zu leben ist.»
Auch wenn die Ehelosigkeit der katholischen Priester nicht zu den großen Themen des Kirchentages zählt: Schiffgen, Weisner und Erzbischof Zollitsch nehmen an der Laienveranstaltung teil, die Gelegenheit zur Diskussion gibt es.
Zuletzt geändert am 20.05.2008