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Veröffentlicht am 05­.02.2006

5. Februar 2006 – Neue Rhein Zeitung

Ehegericht prüft sogar Liebesbriefe

SERIE / Jährlich werden über 1000 geschiedene Katholiken-Ehen für nichtig erklärt. So mancher empfindet das Verfahren als demütigend.

"Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden." (Mt, 19,6) ESSEN. Die immer noch gültige Jesus-Christus-Regel bringt Geschiedene in die Bredouille, die mit der neuen Liebe nochmals mit Gottes Segen den Bund fürs Leben eingehen möchten: In der evangelischen Kirche ist ein zweites Ja-Wort nur nach seelsorgerischer Aufarbeitung möglich. Bei den Katholiken gilt die Ehe als Sakrament, die Kirche erkennt eine Scheidung nicht an. Daher dürfen Katholiken nur erneut heiraten, wenn die erste Ehe annulliert wird. Caroline von Monaco oder EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sind prominente Beispiele für diese Art von Wiedereintrittskarte vor den Traualtar.

Sie sind nicht die einzigen: Pro Jahr werden in Deutschland über 1000 geschiedene Katholiken-Ehen für nichtig erklärt. Zum Beispiel die von Martina May. Die 46-Jährige kann die katholische Haltung nachvollziehen. "Letztlich ist die Kirche ein Verein. Wenn ich Mitglied werde, habe ich mich an dessen Regeln zu halten." May heiratete - frisch verliebt - ihren ersten Mann. Fast genau so schnell war die Ehe wieder geschieden. Weil beide zu dieser Zeit aus der katholischen Kirche ausgetreten und nur standesamtlich getraut waren, hoffte May, es werde kein Problem sein, ihren neuen Lebenspartner nach dem Wiedereintritt kirchlich zu heiraten.

War es aber: "Weil wir damals beide nicht in der Kirche waren, wurde meine erste Ehe zu meiner Überraschung an sich anerkannt. Die katholische Kirche ist ja so tolerant, nicht-katholische Ehen anzuerkennen." Es rollte daher das mindestens ein Jahr dauernde und 200 Euro teure Annullierungs-Verfahren an.

Darin geht es nicht um Schuld und Sühne. Ein Ehebandverteidiger des bischöflichen Offizialats wird eingesetzt. Eine Art Anwalt, der bei beiden Partnern nach Gründen sucht, warum man die Ehe nicht für ungültig erklären darf. Dem Ehegericht muss glaubhaft gemacht werden, dass beispielsweise einer der Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Kinder wollte; dass er aus psychischen Gründen gar nicht in der Lage war zu heiraten; oder dass er eigentlich keinen Bund fürs Leben wollte. Erst dann fällt das Urteil. In zwei von drei Fällen ist der Bescheid positiv. Der Katalog der Anullierungs-Möglichkeiten ist vielfältig. Aber stets fordert der Ehebandsverteidiger dafür Zeugen und Belege. "Glauben Sie nicht, dass wir uns mit einer einzelnen Aussage zufrieden geben", meint ein zuständiger Priester des Kölner erzbischöflichen Offizialats. "Wir erforschen alle Angaben sehr genau, das ist unser Job."

Da werden Leute als Gescheiterte abgestempelt

Alte Wunden würden aufgerissen, klagen Ex-Partner in einschlägigen Internetforen. "Da werden Leute als Gescheiterte abgestempelt. Manche empfinden das Verfahren als demütigend, weil in Liebesbriefen und Tagebüchern geguckt wird, um zu prüfen, ob es mit dem Eheversprechen ernst gemeint war", berichtet Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Vor allem, wenn sie nicht diejenigen sind, die noch einmal kirchlich heiraten möchten. Kirchliche Mitarbeiter, die geschieden sind und wiederheiraten möchten, müssten vorher ihre Ehe annullieren lassen, wenn sie nicht ihren Job verlieren wollen.

May spricht in ihrem Fall hingegen von einer "in sich stimmigen Haltung der Kirche und einem angenehmen Verfahrensverlauf". Was Berlins Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky unlängst dem Online-Magazin "Chrismon" sagte, riecht ohnehin nach Beständigkeit: Er sehe, sagte der leitende Hirte, keinen Reformbedarf.

MICHAEL MINHOLZ

Zuletzt geändert am 09­.05.2006