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Veröffentlicht am 20­.05.2008

20..5.2008 - Neue Westfälische

Kirchenvolksbewegung verurteilt Exorzismus

PADERBORN: Erzbistum mit Teufelsaustreibungen isoliert

Paderborn (dpa). Das Erzbistum Paderborn scheint mit seinen kirchlichen Teufelsaustreibungen unter den 27 katholischen Bistümern in Deutschland weitgehend isoliert zu sein. Nach einer Umfrage sind keine vergleichbaren Exorzismus- Fälle aus den vergangenen Jahren in anderen Diözesen bekannt. Das Bistum Regensburg wollte dazu allerdings keine Auskunft geben und verwies auf die Verschwiegenheit in seelsorgerlichen Fragen. Vor wenigen Tagen hatte das Erzbistum Paderborn drei Fälle von bischöflich genehmigtem Exorzismus aus jüngerer Zeit bestätigt.

Der Frankfurter Exorzismusexperte, Jesuitenpater und Nervenarzt Ulrich Niemann sprach von "ganz wenigen Fällen" in Deutschland. Praktisch alle würden geheim gehalten. Einen Fall in Paderborn habe er selbst medizinisch begleitet; er verwies aber auf die ärztliche Schweigepflicht. "Es kommt immer darauf an, ob am Ende der Patient geheilt ist und im Privat- und Berufsleben wieder besser zurecht kommt", sagte Niemann. Man müsse zur Beurteilung jedes Falles die komplette Geschichte des Einzelnen betrachten, stets aber Mediziner hinzuziehen.

Es gebe in den meisten Bistümern keine Beauftragten, die ein solches Ritual begleiten könnten, sagten die Sprecher der Diözesen. In einigen Bistümern gebe es jedoch mehrere Anfragen von Gläubigen, die sich selbst als "besessen" betrachten und um einen Exorzismus bitten. Im Erzbistum Bamberg sei es bisher stets gelungen, die Ansinnen abzuwenden, sagte ein Bistumssprecher. Ein Sprecher des Erzbistums Köln sprach von etwa 20 Anfragen in den letzten Jahren, die in Einzelgesprächen geklärt worden seien. Das Erzbistum München verfährt ähnlich.

Austreibung des Bösen

Unter Exorzismus wird in vielen Religionen der Welt die Austreibung des Bösen verstanden. In der katholischen Kirche war der Exorzismus im Mittelalter gang und gäbe. Heute unterliegt er strengen Auflagen. Nach den Kirchenvorschriften muss als Voraussetzung für einen Exorzismus ein Mensch als "besessen" eingestuft werden. Als Zeichen gilt etwa, wenn jemand in unverständlichen Sprachen spricht.

Psychische oder geistige Erkrankungen müssen laut Kirchenrecht von hinzugezogenen Medizinern ausgeschlossen werden, ehe ein Bischof seine Zustimmung zur "Teufelsaustreibung" durch einen speziell geschulten Geistlichen geben kann. Die Austreibung findet dann in mehreren Sitzungen statt. Der Geistliche versucht über Gespräche und Gesprächsformeln indirekt Kontakt zum "Bösen" aufzunehmen, um es zum "Ausfahren" aus dem Körper des Besessenen zu bewegen.

Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" verurteilte das Wiederaufflammen des Rituals im Erzbistum Paderborn. "Diese Art von Teufelsaustreibung ist auf der Grundlage der Erkenntnisse von Psychotherapie und Psychiatrie problematisch und nicht mehr zeitgemäß", sagte ihr Sprecher Christian Weisner. Er erinnerte daran, dass 1976 im Bistum Würzburg eine Studentin an den Folgen des bisher letzten in Deutschland bekanntgewordenen Großen Exorzismus gestorben war. Die Grenze zum Aberglauben sei nicht mehr vollständig erkennbar, sagte Weisner.

Zuletzt geändert am 22­.05.2008