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Veröffentlicht am 21­.05.2008

21.5.2008 - sueddeutsche.de

Katholikentag: Papst ruft zu mehr Engagement auf

Osnabrück (dpa) - Mit einem Aufruf des Papstes zum politischen Engagement von Katholiken ist am Mittwochabend in Osnabrück der 97. Deutsche Katholikentag eröffnet worden.

«Nehmt mit dem Evangelium als Maßstab aktiv am politischen und gesellschaftlichen Geschehen in Eurem Land teil», schrieb Benedikt XVI. in einem Grußwort, das vom Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, verlesen wurde. «Überlasst die Gestaltung der Zukunft nicht nur anderen.»

Zu dem Kirchentreffen mit 1200 Veranstaltungen werden bis Sonntag mehr als 60 000 Teilnehmer erwartet. Politische Höhepunkte sind der Besuch von Bundespräsident Horst Köhler am Samstag sowie Auftritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck am Donnerstag. Vertreter von katholischer und protestantischer Kirche sowie Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonten die Bedeutung der Ökumene beim Katholikentag.

Die Reformbewegung «Wir sind Kirche» warf den Veranstaltern eine mangelnde Dialogbereitschaft vor. Strittige Themen wie die Verpflichtung zur Ehelosigkeit von Priestern, die Nichtzulassung von Frauen ins Priesteramt oder die Beschränkung der Rechte von Laien in der Kirche kämen kaum zur Sprache. Das sei «Kuschelkatholizismus», von dem kein Aufbruch ausgehe, sagte die Sprecherin der Bewegung, Sigrid Grabmeier.

Der Bischof des gastgebenden Bistums Osnabrück, Franz-Josef Bode, sagte dagegen, er erwarte vom Katholikentag auch einen Impuls zur Bewältigung der Strukturreform der Kirche und der Einbeziehung von Laien. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, rief zu mehr Zuversicht bei der Bewältigung von Reformprozessen in Gesellschaft und Kirche auf.

Nach dem Willen der Veranstalter soll der Katholikentag auch den Streit zwischen Juden und Vatikan um die Karfreitagsfürbitte entschärfen. Meyer zeigte Verständnis für die Kritik jüdischer Geistlicher an der römischen Neufassung. Bereits im Februar habe das ZdK den Papst daher gebeten, nur die bewährte Fürbitte aus dem Jahr 1970 zuzulassen, sagte Meyer.

Bischof Bode bezweifelte, dass Papst Benedikt sein Anliegen erreicht habe, mit der Fürbitte die katholischen Traditionalisten stärker einzubinden: «Ich glaube nicht, dass dies eingetreten ist.» Für die alte lateinische Messe, die Papst Benedikt wieder erlaubt hatte, hatte der Vatikan die Karfreitagsfürbitte neu formuliert. Viele Rabbiner verstanden die neue Fassung als Aufruf zur Missionierung der Juden. Drei jüdische Referenten, darunter der Frankfurter Sozialwissenschaftler Micha Brumlik, sagten daraufhin ihre Teilnahme am Katholikentag ab.

Das ZdK verlangte am Mittwoch eine bessere Förderung von Familien mit Kindern. «Nach unserer Überzeugung sind Grabenkämpfe um das katholische Familienbild oder um das eine richtige Familienmodell nicht im Sinne der Familien», sagte Meyer. «Vielmehr plädieren wir für ein entideologisiertes wohlwollendes Verständnis für unterschiedliche Lebens- und Familiensituationen.» Der berufliche Wiedereinstieg nach der Elternphase müsse gefördert, die Qualität der Kinderbetreuung gewährleistet und der Lohn von Männern und Frauen angeglichen werden.

Zuletzt geändert am 22­.05.2008