21.5.2008 - Märkische Allgemeine
RELIGION: Zukunft, Zoff und Zölibat
POTSDAM - Die Zielgruppe dieser Veranstaltung ist gigantisch: Über 25 Millionen Katholiken leben in Deutschland. Insgesamt erwartet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zum 97. Katholikentag bis Sonntag etwa 60 000 Besucher aus dem In- und Ausland. Aus dem Osten Deutschlands werden sich dagegen traditionsgemäß eher wenige auf die Reise machen. Nur drei Prozent der Brandenburger sind katholisch, darunter sieben Jugendliche aus Templin (Uckermark) und ihr Betreuer Reiner Vedder, die sich heute auf den Weg nach Osnabrück machen.
„Die Jugendlichen sind ganz scharf auf die Rocknacht“, erzählt Vedder, Gemeindereferent der Herz-Jesu-Gemeinde. Außerdem seien Besuche mehrerer Gottesdienste geplant. „Zwischendurch gucken wir uns um.“ Die Auswahl ist groß: Zwischen rund 1 200 Workshops, Vorträgen, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen können die Besucher wählen.
Übergeordnetes Thema ist die Zukunft von Glaube, Kirche und Gesellschaft. Dabei werden Stammzellentherapie und Sterbehilfe ebenso diskutiert wie Ökumene und ethisches Investment. Tanzkurse, Filmabende und Fußreflexzonenmassage runden das Programm ab.
Politischer Höhepunkt ist am Sonnabend der Auftritt von Bundespräsident Horst Köhler, der eine Rede zur Zukunft der Demokratie halten wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt bereits am Donnerstag an einer Podiumsveranstaltung über Klimapolitik teil. Fast alle Parteichefs und eine Reihe Bundesminister haben sich angekündigt. Sogar der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und der Präsident des Europarlaments, Hans-Gert Pöttering, pilgern nach Niedersachsen.
Im Vorfeld gab es bereits Ärger zwischen dem Zentralrat der Juden und der katholischen Kirche. In der Karfreitagsfürbitte hatte Papst Benedikt von der Bekehrung der Juden gesprochen. Prompt hatten drei jüdische Redner abgesagt. Dennoch wird es 20 Veranstaltungen zum christlich-jüdischen Dialog geben – übrigens auch einige zum Islam. Kritiker bemängeln, das Zölibat werde im Programm nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ kündigte an, das Thema werde „in vielerlei Hinsicht“ zur Sprache kommen, „ob es im Programm steht oder nicht, ob es gewollt ist oder nicht“.
Gemeindereferent Reiner Vedder kann der Ehelosigkeit durchaus etwas abgewinnen. „Das hat auch einen Wert“, sagt er. Der Priester sei immer ansprechbar, man müsse nie auf eine Familie Rücksicht nehmen. „Man muss aber kritisch bleiben. Ideal fände ich eine Zwischenlösung, wie bei den Orthodoxen.“ Dort dürfen Priester und Diakone verheiratet sein, allerdings nur einmal. Höheren Ämtern ist auch das untersagt. „Der Zölibat ist ein Reizthema“, sagt Vedder, „aber kein Hauptthema.“ (Von Jana Einecke)
Zuletzt geändert am 22.05.2008