23.5.2008 - sueddeutsche.de
Kirche gibt Fehler bei sexuellem Missbrauch zu
Erstmals in der 160-jährigen Geschichte des Kirchentreffens gab es am Freitag eine Podiumsdiskussion zu dem Reizthema - und erstmals saß ein Missbrauchsopfer zusammen mit einem Bischof auf dem Podium.
«Sie sind mir etwas schuldig, mein Leben ist kaputt», sagte Norbert Denef, der jahrelang von einem Priester missbraucht worden war. Jaschke räumte ein: «Viele haben recht, wenn sie sagen, die Entschuldigung reicht nicht, es muss auch etwas geschehen.» Die Kirche müsse sich «ganz besonders schämen, wenn wir, die wir auf einem so hohen moralischen Podest stehen, in diesen Situationen schuldig werden, das ist furchtbar.»
Die Harvard-Professorin Elisabeth Schüssler-Fiorenza warf der katholischen Kirche eine anhaltende Diskriminierung von Frauen vor. «Frauen sind Bürgerinnen zweiter Klasse in der Kirche», sagte die katholische Theologin. «In den USA wandern daher viele Frauen aus in andere Kirchen.» Der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters verwies darauf, dass inzwischen viele Führungspositionen in der kirchlichen Verwaltung von Frauen besetzt seien. Eine Priesterweihe für Frauen sei aber aus theologischen Gründen nicht möglich.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief in Osnabrück dazu auf, den Dialog mit China in Menschenrechtsfragen auszubauen. Es gebe bereits erste Erfolge; die Gespräche müssten jedoch fortgesetzt werden. China sei auf dem Weg, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. «Aber wir müssen in der Frage der Menschenrechte entschlossen bleiben», sagte Barroso. Er forderte eine kulturelle Autonomie für Tibet. Den EU-Vertrag von Lissabon, dem der Bundesrat am Freitag zugestimmt hat, bezeichnete Barroso als notwendig, weil er mehr Zusammenhalt und mehr Transparenz in Europa ermögliche.
Am Donnerstagabend hatten Christen und Juden beim Katholikentag ein Signal der Versöhnung gesetzt. Die vom Vatikan veranlasste Neufassung der Karfreitagsfürbitte hatte eine schwere Krise zwischen beiden Religionen ausgelöst. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, und der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz beim Zentralrat der Juden in Deutschland, Henry Brandt, nahmen sich unter dem Applaus mehrerer hundert Zuhörer demonstrativ in den Arm.
Vertreter des Judentums blieben dennoch bei ihrer Kritik, die Neufassung der Fürbitte nach der Wiederzulassung des traditionellen Ritus in lateinischer Sprache rufe indirekt zur Judenmission auf. «Die Formulierung ist nicht akzeptabel», sagte Brandt. Auch Weihbischof Jaschke äußerte Kritik an der römischen Neufassung: Es sei einiges «verschlimmbessert» worden, sagte er nach Angaben des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Beim zentralen ökumenischen Gottesdienst des Katholikentags beklagte die evangelische Landesbischöfin von Hannover Margot Käßmann, dass es trotz aller Verbundenheit schmerzhafte Auseinandersetzungen gebe. «Vor allem trifft uns dieser Schmerz, wenn wir das zentrale Zeichen unserer Gemeinschaft, das Abendmahl, nicht miteinander feiern können.» Keine Kirche sei allein im Besitz der Wahrheit. Katholiken und Protestanten seien «Geschwister», meinte Käßmann. «Das sollte uns ökumenischer Ansporn sein, zu erkennen, dass uns mehr verbindet als uns trennt, dass wir mehr miteinander gestalten können an Gottesdiensten und Handeln in der Welt.»
Nachdem am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel, Familienministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) und SPD-Chef Kurt Beck auf dem Katholikentag zu Besuch waren, kamen am Freitag der FDP- Vorsitzende Guido Westerwelle, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Gregor Gysi. Am Samstag will Bundespräsident Horst Köhler an einem Podium zur Zukunft der Demokratie teilnehmen. Das fünftägige Kirchentreffen mit mehreren zehntausend Teilnehmern geht am Sonntag mit einem großen Gottesdienst unter freiem Himmel zu Ende.
Zuletzt geändert am 24.05.2008