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Veröffentlicht am 27­.05.2008

27.5.2008 - Donaukurier

Katholikentag endet mit Kritik am Anspruchsdenken

Osnabrück (dpa) Mit Kritik an einem zunehmenden Anspruchsdenken in Staat und Kirche ist der 97. Deutsche Katholikentag in Osnabrück zu Ende gegangen.

Mit Kritik an einem zunehmenden Anspruchsdenken in Staat und Kirche ist der 97. Deutsche Katholikentag in Osnabrück zu Ende gegangen.

«Wir sind in unserem Land in Gefahr, eine Anspruchsgesellschaft zu werden, in der sich mehr und mehr eine Versorgungsmentalität breitmacht», sagte am Sonntag der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, beim Gottesdienst vor 25 000 Gläubigen. Am Samstag hatte sich der Erzbischof gegen Denkverbote und für Reformen in der Kirche ausgesprochen. Bundespräsident Horst Köhler erneuerte im politischen Teil des Laientreffens seine Forderung nach mehr Kontrolle der Finanzmärkte.

Von Mittwoch bis Sonntag waren unter dem Leitwort «Du führst uns hinaus ins Weite» mehr als 60 000 Besucher zu den 1200 Veranstaltungen nach Osnabrück gekommen, davon 35 000 Dauergäste. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und das Bistum Osnabrück zeigten sich mit dem Verlauf hoch zufrieden. «Ich habe selten das Wort "wunderbar" so oft gehört wie in den vergangenen Tagen», sagte der gastgebende Bischof Franz-Josef Bode. Auch die Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche» würdigte den Katholikentag als «jugendlich und erfrischend».

Die Reformbewegung kritisierte allerdings, die Reizthemen des kirchlichen Alltags wie das Heiratsverbot für Priester und die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt seien zu wenig angesprochen worden. Dem widersprach ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer: «Es gibt wohl kaum ein brennendes Thema unserer gesellschaftlichen Situation, das nicht erörtert, und es gibt auch kein heißes Eisen im Leben der Kirche, das nicht angepackt wurde.» Osnabrück sei «kein Kuschelkatholikentag» gewesen.


Auch Erzbischof Zollitsch betonte: «Es gibt keine Tabus, es gibt keine Denk- und Sprechverbote.» Wichtig sei es aber, bei den Reformen alle Flügel der Kirche mitzunehmen. «Manches, was wie ein "Nicht" aussieht, ist auch ein "Noch nicht".» In seiner Predigt beim Abschlussgottesdienst rief Zollitsch zum Engagement in Kirche und Gesellschaft auf. Die erste Frage dürfe nicht sein: «Was erwarte ich von der Gesellschaft? Was soll der andere für mich tun? Die erste Frage ist: Was kann ich für den anderen, für die Gesellschaft, für die Kirche tun?», sagte der Erzbischof.

Als einen der Höhepunkte des Treffens wertete das ZdK den Akt der Versöhnung mit den Juden in Deutschland. Nach dem Streit um eine vatikanische Neufassung der lateinischen Karfreitagsfürbitte nahmen sich Erzbischof Zollitsch und der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz beim Zentralrat der Juden in Deutschland, Henry Brandt, symbolisch bei einer gemeinsamen liturgischen Feier in den Arm. Brandt und andere Vertreter des Judentums erneuerten jedoch ihre Kritik am Vatikan, weil dieser mit der Neufassung der Bitte indirekt zur Missionierung von Juden aufrufe.

Bei der als Hauptveranstaltung bezeichneten Podiumsdiskussion mit Bundespräsident Köhler warnte das Staatsoberhaupt vor einer Übermacht der internationalen Finanzmärkte: «Es steht zu viel auf dem Spiel, wenn diese Märkte außer Kontrolle geraten.» Bereits am Donnerstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an einer Diskussion zur Klimapolitik teilgenommen. Politiker aller Parteien, darunter SPD- Chef Kurt Beck, Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) riefen zum Kampf gegen die zunehmende Armut in Deutschland sowie gegen ein weltweites Ungleichgewicht des Wohlstands auf.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx und der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich luden zum zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München ein. «Die Welt soll sehen, dass uns viel mehr eint als trennt», sagte Friedrich. Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hatte zuvor vor überzogenen Erwartungen an die Ökumene gewarnt: Je geringer die Unterschiede zwischen den Konfessionen würden, desto schwieriger seien die letzten Schritte zur Überwindung der Kirchenspaltung.

Zuletzt geändert am 27­.05.2008