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Veröffentlicht am 03­.06.2008

Juni 2008 - Mitteilungsblatt der VkPF

Eindrücke, Ansichten und kleine Geschichten vom Katholikentag in Osnabrück 2008

Dies war für meine Frau und mich der dritte Katholikentag in Folge, an dem wir teilgenommen haben. Hingefahren nach Osnabrück sind wir mit der Erinnerung an Saarbrücken und den endlosen kalten Regen dort. Hier aber war strahlendes Sommerwetter. Nur mein linkes Knie machte mir allzeit schmerzliche Probleme. Ich hab's durchgestanden.

Ich wage es, hier über viele kleine Begegnungen und Erlebnisse zu berichten.

Da kam mir Herr Thierse, bekannt aus Bundestag und Fernsehen auf der Treppe in der Stadthalle direkt entgegen. Er sieht mich an. Ich grüße freundlich. Er runzelt ein wenig die Stirn. Dahinter schien es zu arbeiten. „Wo hast du diesen Typen denn schon mal gesehen?“

Leute mit Schildern waren häufig. Sie standen vor den Versammlungsräumen und Hallen und Zelten und auf dem Schild stand: „Raum überfüllt“ - „Veranstaltung geschlossen“. Die Veranstalter hatten im Vorfeld 20000 Dauerteilnehmer kalkuliert. 35000 sind es wohl geworden. Dazu kamen die Tagesgäste. Noch wenige Tage vor Beginn, so erzählte man, wurden Schulen und Turnhallen zu einfachen Massenquartieren umfunktioniert. - Ich vertrage gar keinen Sonnenschein auf meiner Glatze. Also wollte ich mir eine jener blauen Mützen zum Katholikentag kaufen. Die waren aber auch schon im Laufe des Donnerstags restlos ausverkauft. - Wenn es warm ist, muss man viel trinken. Hinterher muss man die Flüssigkeit wieder loswerden. Es mangelte aber anfangs irgendwie an Toiletten. Im Laufe der Tage tauchten immer mehr Dixi-Klos in den Straßen auf. Nicht wenige davon stellte man in Eile schräg auf eine Bordsteinkante, sodass man durchaus bei Benutzung damit hätte umfallen können. Immerhin hatten diese Dinger alle die blaue Katholikentagsfarbe. Es gab aber auch Container für diesen Zweck, die man wohl aus einer hinteren Ecke eines Schrottplatzes irgendwo in der Republik hervorgeholt hatte.

„Ich bin vom Glauben abgefallen!“ - Mit diesem Spruch kam eine junge Frau Anfang zwanzig auf mich zu. Sie beruhigte sich nur nach und nach. Ein junger Mann in kirchlicher Dienstkleidung hatte ihr als Antwort auf eine Frage streng geantwortet: „Wenn sie so fragen, sind sie längst vom katholischen Glauben völlig abgefallen.“ Ich fürchte, es war ihm ernst gemeint.

Es tummelten sich aber auch Pseudochristen zwischen den Zelten. Eine Sekte mit sehr eigenwilliger Bibelauslegung hat mir einen Zettel mit der Berechnung des nächsten Weltunterganges in die Tasche geschmuggelt. Verblendete Fanatiker dieser Art werden auch nicht alle.

„Das ist die Schmuddelecke!“ - So nannte ein Priester im Vorübergehen die Gruppe von Zelten mit der Vereinigung verheirateter kath. Priester und ihrer Frauen (VkPF) e.V., HuK, Wir-sind-Kirche, die Gruppe der vom Zölibat betroffener Frauen und die Altkatholische Kirche. Dennoch riss der Strom der interessierten Besucher bei uns nicht ab. Pausenlos waren alle unsere Helfer und Mitstreiter im Gespräch. Unsere Leinen-Tragetaschen mit der Aufschrift „Katholisch und gegen den Pflichtzölibat“ wurden gegen eine Spende abgegeben. Die Taschen waren erstaunlich schnell vergriffen. Am Samstag waren dann auch die roten Faltblätter fast vergriffen. Ich selbst habe die Zahl meiner Gesprächspartner nicht gezählt. Es werden aber schon einhundert oder gar mehr gewesen sein. Darunter war niemand, der das Zölibatsgesetz erhalten haben möchte. Zölibat für alle katholischen Priester? Das ist ein alter Zopf! In wenigen Jahren wird das Gesetz fallen müssen! Die Herren der Kirche ruinieren die Kirche auf diese Weise. Die Kirche will doch nur die Versorgung der Witwen und Waisen verstorbener Priester sparen. Es gab immer wieder Ermunterung, in unserer Öffentlichkeitsarbeit weiter zu machen. Vielfach wurde die Forderung nach der Abschaffung des Zölibats mit dem Wunsch nach Frauenordination verknüpft. - Die Altkatholische Kirche - auf dem Stand neben unserem Zelt - hat nach anfänglichen Schwierigkeiten in den eigenen Reihen die Frauenordination akzeptiert.

Es fiel mir auf, dass Ehrenamtliche zuhauf klagten, sie würden nicht mehr gebraucht. Im Zuge des Priestermangels werden die Gemeinden zusammengelegt. Viele Aufgaben, die bisher von Laien und Ehrenamtlichen ausgeführt wurden, werden den weniger werdenden Priestern noch zusätzlich aufgebürdet. Da kommt es dazu, dass diese Herren in ihrer Pfarre eine Art Willkürherrschaft aufbauen. Am späten Abend des Mittwoch sah ich im Fernsehen eine Vorschau auf den Katholikentag in Osnabrück 2008. Es gab eine Mixtur zu Zölibat und anderen Problemen. Herr Erzbischof Zollitsch kam ebenso zu Wort wie Herr Bischof Müller in Regensburg. Da war aber auch ein Pfarrer in deutschen Landen, der nach der Übernahme der Herrschaft in seiner Pfarre erst einmal alle weiblichen Mitarbeiterinnen, Lektorinnen, Messdienerinnen und Kommunionhelferinnen völlig aus dem Altarraum verbannte. Meine Gesprächsteilnehmer beklagten ähnliche Entwicklungen in ihren Heimatpfarreien. Ein spezielles Beispiel haben wir selbst erlebt. Die Zimmervermittlung hatte uns in ein Hotel in Ankum verwiesen. Von dort sind wir 6 km mit unserem Auto nach Bersenbrück gefahren und von dort mit der Nord-West-Bahn nach Osnabrück. Es wäre sehr schwierig geworden, auf diesem Wege am Sonntag in den Abschluss-Gottesdienst zu kommen. Wir haben uns daher entschieden, um 8.00 Uhr in Ankum die Messe in der Dorfkirche zu besuchen. Das ist eine große Kirche im neuromanischen Stil, geschätztes Baujahr um 1890. Zuerst trat eine Lektorin auf. Ich habe trotz modernem Hörgerät fast nichts verstanden. Der Pfarrer erschien gegen die Ordnung im violetten Messgewand. Er nuschelte und war zu weit weg vom Mikrofon. Auch von ihm habe ich akustisch fast nichts verstanden. - Nach dem Gottesdienst habe ich zwei Frauen etwa in unserem Alter in der Türe angesprochen. Beide gerieten in Wut. „Wir haben dem immer schon gesagt, dass wir ihn nicht verstehen. Daran stört er sich aber nicht. Dem kann man nichts sagen. Seit vierzig Jahren liefere und arrangiere ich kostenlos den Blumenschmuck am Altar. Der hat noch nie „Danke!“ gesagt. Meine Tochter wollte hier in ihrer Pfarrkirche an einem Samstag heiraten. Der Pfarrer steht aber auf dem Standpunkt: In meiner Kirche wird freitags geheiratet oder gar nicht. - Wir mussten in ein weit entferntes Nachbardorf mit der Trauung ausweichen.“ Dieser Priester hat jedenfalls mit diesem Verhalten die Jugend aus seiner Pfarre schon völlig vertrieben.

Die Berichterstattung über den Katholikentag in Osnabrück 2008 in unserer Tageszeitung empfand ich eher als kläglich. Er beschränkte sich überwiegend auf Berichte zum Auftritt von Politikern. Von der Ansprache von Papst Benedikt XVI. gab es nur eine Zeile: „Wagt die Mitgestaltung der Zukunft als katholische Laien!“ Derartige Parolen höre ich jetzt schon seit Monaten immer wieder. Wir Laien sollen nach unseren Fähigkeiten vor allem in der Kirche mitwirken. Vor dem Zelt des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln fand ich einen Ständer mit Postkarten. Auf der Vorderseite steht immer: „Ich bin Laie ... Also übernehme ich in meiner Kirche Verantwortung, denn sie kann auf mein Fachwissen nicht verzichten. Oder: ... Also stehe ich meinem Pfarrer mit Rat und Tat zur Seite. Oder: ... Also engagiere ich mich in meiner Kirche, um die Themen anzupacken, die die Menschen betreffen. - Kirche sind wir gemeinsam!“ Ein Mitarbeiter am Stand sprach mich an, ob ich mich denn auch engagieren könne. Ich kann! Ich kann Fachwissen anbieten. Ich könnte manche interessante Bibelstunde gestalten. Aber alle meine Angebote an meinen Pfarrer und an andere Stellen in der Kirche laufen stets ins Leere. Da bemerkte der Herr das M (von Mitarbeiter bei Katholikentag) auf meiner Teilnehmerkarte. Ich bin Mitarbeiter bei Vereinigung verheirateter kath. Priester und ihrer Frauen (VkPF) e.V. und Wir-sind-Kirche. Diese Auskunft war für ihn Anlass, das Gespräch zu beenden. Ich durfte mich noch ins Gästebuch eintragen und bekam ein Glas Wasser, um eine Pille gegen die Schmerzen in meinem Knie zu schlucken. Ansonsten war ich wie Luft. Erstaunlich ist, dass es mehreren meiner Gesprächspartner sehr ähnlich geht.

Menschen haben sich gegen diktatorische Systeme aller Art immer schon dadurch gewehrt, dass sie Witze und satirische Geschichten erzählten. Schön in dieser Art fand ich in Osnabrück dieses: Herr Anton Schmitz – der Name ist als Beispiel völlig frei erfunden – kommt an die Himmelstüren. „Nur für leitendes Personal“, „nur für Erzengel“, „nur für anerkannte Heilige“ sagen Schilder an verschiedenen Eingängen. Er geht durch die Türe „Anmeldung und Zulassungsprüfung“. Nach drei Minuten steht Herr Schmitz wieder draußen und klagt: „Mein Gott, was habe ich im Leben alles falsch gemacht! Da komme ich nie rein!“ - Als nächster kommt ein tapferer Pfarrer. Er geht durch die bewusste Türe und kommt nach fünf Minuten wieder raus. „Mein Gott, was habe ich im Leben alles falsch gemacht! Da komme ich nie rein!“ - Der nächste Anwärter ist ein betont katholischer Minister. Seine Prüfung dauert immerhin zehn Minuten. „Mein Gott, was habe ich im Leben alles falsch gemacht! Da komme ich nie rein!“ - Als nächster erscheint Herr Kardinal Meisner an den Himmelstüren. Er geht forsch durch das passende Tor. Stunde um Stunde tut sich nichts. Erst nach endloser Zeit kommt Gott selbst aus dieser Türe und flucht: „Zum Teufel! - Was habe ich bisher nur alles falsch gemacht! Da komme ich nie wieder rein!“

Weit mehr als 1000 Einzelveranstaltungen standen auch beim Katholikentag in Osnabrück 2008 im Programmbüchlein. Eine davon mochte ich nicht versäumen. „Am Anfang schuf Gott den Wasserstoff- wie halten es die Christen mit der Evolutionstheorie“ Das war der Titel eines moderierten Dialoges. Der Moderator kündigte ein Streitgespräch zwischen zwei hochgebildeten Herren an. Die waren sich aber völlig einig. Vornean in der Bibel gibt es zwei Schöpfungsgeschichten, die erzählen, wie Gott in sieben Tagen den Himmel und die Sterne und diesen Planeten Erde und alles Leben darauf erschaffen hat. Dies findet sich in immer neuen Formulierungen allenthalben in Glaubensbekenntnissen, Liedern und Gebeten der Christen. Da gibt dann nicht wenige Christen, die wir zur Gruppe der Kreationisten zählen, die behaupten: Diese Erde und alles im Weltall ist genau so entstanden, wie es in der Bibel steht. Die Geschichten der Bibel werden als Tatsachenreportage gedeutet. Damit können sie die Tage der Schöpfung auf etwa 6400 Jahre vor unserer Zeit datieren. Zur Abgrenzung von moderner Naturwissenschaft, die das etwas anders sieht, basteln die Kreationisten vor allem für Museen in den USA immer neue Objekte, die sie als Beweisstücke für die Bibel ausgeben. Die Theorie Darwins von der Entwicklung der Arten gilt als teuflische Verführung. Teilweise wird erfolgreich dafür gekämpft, dass nur ihre Theorie in den Schulen gelehrt wird und eine gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnis nicht angeboten werden darf. Spötter sagen dazu: Gott hat die Welt erschaffen 1000 Jahre nachdem die Sumerer den Klebstoff erfunden hatten.

Astrophysik und Astrobiologie beschreiben das Ganze etwas anders. Wir leben in einem Universum, das mehr als 100 Milliarden Galaxien enthält. Jede dieser Galaxien enthält mehr als 100 Milliarden Sterne. Unsere Milchstraße ist so eine Galaxie. Unsere Sonne ist ein ganz gewöhnlicher Stern ohne Besonderheiten. Darum herum kreist als Planet unsere Erde. Alles begann vor rund 13,5 Milliarden Jahren mit einem besonderen Ereignis, das wir Urknall oder Big Bang nennen. Das ist nur ein Wort, eine Arbeitsbezeichnung. Die Physik hat bisher nicht die geringste Ahnung, was da passiert ist. Was vorher war, ist erst recht unbekannt. Da gibt es nur wilde Spekulationen, was da wohl vorher existierte. Die Physik kann aber zuverlässig beschreiben, wie sich das alles ab einem Zeitpunkt von Bruchteilen von Sekunden nach dem Urknall entwickelt hat. Alles folgt nämlich einfachen physikalischen Gesetzen, die seit dem Anfang unverändert sind. Unser Planet Erde ist 4,65 Milliarden Jahre alt. Vor 3,8 Milliarden Jahren tauchen auf der Erde und auf dem Mars die ersten einfachen Lebewesen auf. Diese bleiben etwa 2,6 Milliarden Jahre praktisch unverändert. Danach aber entwickelt sich das Leben immer weiter in viele Arten. Arten tauchen neu auf oder verschwinden wieder. Es gibt Arten, die sind seit 240 Millionen Jahren unverändert, etwa Pflanzen aus der Familie Antarctica. Andererseits gibt es Arten, die passen sich in wenigen Jahren ihrer Umgebung neu an. Gerade mal vor 6 Millionen Jahren tauchen in Ostafrika die ersten Lebewesen auf, die menschenähnlich sind. Bei alledem gibt es für die Naturwissenschaft keinen Anlass, bei diesem oder jenem Entwicklungsschritt einen Schöpfungsakt anzunehmen. Auch das „intelligent design“, was wohl meint, der Schöpfer habe die Evolution intelligent gestaltet, ist keine notwendige Erklärung, eher eine Glaubenssache. Jedenfalls liegt hier ein Problem für die christliche Theologie vor, das nicht unterschätzt werden darf. Die beiden Herren auf dem Podium gaben jedoch allen Formen von Kreationismus in höflichen Worten eine scharfe Absage. Kurzum: Diese Erde und Himmel und Sterne sind gar nicht so entstanden, wie es die Bibel erzählt. Die Beschreibung der Naturwissenschaft von einem Zeitpunkt sehr kurz nach den ersten Anfängen nach dem Urknall bis heute braucht keinen Schöpfer. Die Kreationisten aber beschwören die Bibel als Wort Gottes als einzige Wahrheit. Ich bin gespannt, ob und wie die Theologie aus diesen Widersprüchen rauskommt. Ich weiß nicht, was ich meinen Enkeln dazu erzählen soll, wenn sie danach fragen.

Die Angst geht um unter hauptamtlichen Mitarbeitern der Kirche. Mit Bestürzung habe ich gesehen, wie Priester sich scheu um unsere Stände herumdrückten. Mitarbeiter der Kirche wollten unser rotes Faltblatt nicht mitnehmen, weil sie befürchten, sie würden zu Hause damit gesehen. „Ihr habt ja völlig Recht mit Eurer Ablehnung des Zölibatsgesetzes! Aber ich bin abhängig von Kirche. Ich darf das nicht laut sagen.“ Dergleichen habe ich mehr als sieben mal gehört.

Vom Erzbischof von Köln, Herrn Kardinal Meisner, kann man nicht erwarten, dass er Ansichten und Aktionen von Wir-sind-Kirche freudig begrüßt. Um so mehr war ich überrascht, in der von ihm herausgegebenen Kölner Kirchenzeitung in einem der Berichte zum Katholikentag in Osnabrück 2008 zu lesen: Von einem „erfrischenden und jugendlichen Katholikentag in einem zukunftsorientierten Bistum“ sprach sogar die Bewegung „ Wir-sind-Kirche“ - Wir werden auf einmal erwähnt und nicht einmal mit dem Zusatz „sogenannt“ abqualifiziert. - Unserer Tochter war zudem aufgefallen, dass bei der Berichterstattung über den Katholikentag in Osnabrück 2008 auch immer Christian Weisner von Wir-sind-Kirche zu Wort kam.

Ein Katholikentag ohne Veranstaltung zur Ökumene, das gibt es schon lange nicht mehr. Das ist gut so. Auch aus Osnabrück wurden emotionale Szenen zwischen Herrn Erzbischof Zollitsch und einem Rabbiner berichtet. „Betet weiter für die Ökumene!“ stand dann in den Printmedien. Ich aber sage: „Betet und tut endlich etwas für die Ökumene!“ Alle müssten Zugeständnisse machen, vor allem aber die katholische Kirche. Aufgabe von VkPF und Wir-sind-Kirche und anderen kritischen Gruppen müsste es sein, die Scheinargumente der Kirche gegen weitere Fortschritte der Ökumene zu entlarven. Nur so kommen wir bis zum ökumenischen Kirchen Tag in München 2010 weiter.

Wilhelm Gatzen
Diplom-Physiker
An der Wasserdelle 195
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Tel: 02204-61282
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Zuletzt geändert am 22­.02.2012