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Veröffentlicht am 30­.05.2008

30.5.2008 - Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln

Nicht nur kuschelig

Katholikentag in Osnabrück zeigte geistliches und politisches Profil

"Die Kirche der Zukunft ist eine Kirche an den Lebens-Wegen der Menschen.“ Erzbischof Robert Zollitsch warb beim Katholikentag in Osnabrück wiederholt für eine Nähe zu den Menschen, schließlich seien Christen „keine Zaungäste der Gesellschaft“. Bei der Abschlussmesse am Sonntag mahnte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mehr Einsatz für die Gesellschaft an. Auch Papst Benedikt XVI. hatte in seiner Grußbotschaft die Katholiken in Deutschland aufgerufen, sich in die Gesellschaft einzubringen. „Überlasst die Gestaltung der Zukunft nicht nur anderen, sondern bringt euch selbst mit Phantasie und Überzeugungskraft in die Debatten der Gegenwart ein“, so der Papst.

Politisch dominierten nicht die im Vorfeld vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Topthemen benannten Bereiche Bildung und Integration. Auch Europa spielte trotz der Teilnahme von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering kaum eine Rolle. Neben der sozialen und weltweiten Gerechtigkeit schafften es am ehesten Klimawandel und Umweltschutz zum Schwerpunkt. Gesundheits- und Pflegepolitik hatten die Programmplaner fast völlig ausgeblendet. Bei keinem anderen öffentlichen Moment in Osnabrück wurde Kanzlerin Angela Merkel (CDU) so hellhörig wie bei der Schilderung einiger Vinzentinerinnen-Ordensfrauen über den wachsenden Druck auf die Krankenhäuser. In der begeisternden Atmosphäre des Jugendzentrums formulierte sie später ungewöhnlich offen die Bedeutung ihres eigenen Glaubens, der ihr als Politikerin Kraft gebe. Doch niemand fragte ernsthaft nach. Selbst beim Podiumsgespräch zum Klima erhielt die frühere Umweltministerin, die Bedenken gegen einen Atomausstieg und gegen ein Tempolimit äußerte, kaum Widerrede.

Erwähnt werden muss am Rande: Die erwarteten SPD-Bundesminister waren wegen der Parteikrise kurzfristig ausgefallen.

Umso mehr flogen dem Bundespräsidenten Horst Köhler die Sympathien nur so zu. Als er seine Wortwahl, Wirtschaftshaie als „Monster“ zu bezeichnen, erläuterte und Werte, Moral, Verantwortung anmahnte, bebte die Halle. „Beten Sie für die Wirtschaft“, sagte er am Ende der Veranstaltung spontan zu drei Ordensfrauen.

Von einem „erfrischenden und jugendlichen Katholikentag in einem zukunftsorientierten Bistum“ sprach sogar die Bewegung „Wir sind Kirche“. Auch die Veranstalter zeigten sich mit dem Treffen hochzufrieden. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, sprach in seiner Bilanz von einem selbstbewussten Treffen der Laien. Osnabrück war — mit 60 000 Dauerteilnehmern und Tagesgästen, so viel wie sie kein Katholikentag seit 1994 mehr hatte — ein fröhliches, frommes und nachdenkliches Treffen.

Politisch wie geistlich konnten die Tage von Osnabrück starke Akzente setzen. Im Zentrum vieler Veranstaltungen stand die soziale Schieflage, die wachsende Schere von Arm und Reich. „Ich spüre, dass die Gesellschaft in Deutschland auseinanderzudriften droht“, sagte Erzbischof Zollitsch und unterstrich den Anspruch der Kirche, den politisch Verantwortlichen immer wieder ins Gewissen zu reden. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sprach sich für einen „sozialen Arbeitsmarkt“ aus, um den Schwächsten eine Chance im Erwerbsleben zu geben. Auch die Folgen der Globalisierung, die weltweite Armut und die Nahrungsmittelkrise waren Themen bei zahlreichen Podien und Diskussionen. So rief der honduranische Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga eindringlich dazu auf, die „Option für die Armen“ in die Tat umzusetzen.

Bei den geistlichen Angeboten dominierten Fragen der Zukunft der Seelsorge und der Spiritualität. Das „Geistliche Zentrum“, so etwas wie ein geschäftiges Kloster, war überlaufen. Bei Veranstaltungen wie „Was Beten heißt und wie es geht“ standen Neugierige noch vor der Tür. Nicht nur Politiker, auch Ordensleute wie Anselm Grün oder die junge Dominikanerin Jordana Schmidt waren Stars im Gedränge. Die Stadt gab mit der Atmosphäre spätabendlich geöffneter Kirchen ihren Teil dazu.

Beobachtern fiel auf: Deutlich mehr Bischöfe als bei früheren Treffen zählten zu den Referenten oder zu den neugierig lauschenden Teilnehmern. Mit Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke wagte erstmals ein Bischof das öffentliche Gespräch mit einem Heimkind und die Debatte über sexuellen Missbrauch; der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke erläuterte Angebote für Kirchenferne; der neue Limburger Oberhirte Franz-Peter Tebartz-van Elst berichtete über Erwachsenentaufen.

Der gastgebende Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode bilanzierte den Katholikentag als ein Fest, auf dem „es nicht nur kuschelig zugegangen“ sei. Man habe viele Finger in Wunden gelegt und sich auch Dinge deutlicher gesagt getreu dem Motto „Du führst uns hinaus ins Weite“. Wie hatte der Papst in seiner Grußbotschaft geschrieben: „Mit Gott im Rücken könnt ihr sicher handeln.“ KL/KNA

Zuletzt geändert am 04­.06.2008