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Veröffentlicht am 21­.05.2008

21.5.2008 - Die Welt

Der Katholikentag 1968 und heute / Kein frischer Wind. Nirgends

von Gernot Facius, Redakteur für Religion und Gesellschaft

Wenn dieser Tage in Osnabrück der 97. Deutsche Katholikentag begangen wird, werden sich Veteranen der Laienbewegung daran erinnern, dass das stürmische 68er-Jahr auch eine starke katholische Komponente hatte. Der 82. Katholikentag vor 40 Jahren in Essen war der turbulenteste aller Zeiten. Zum ersten Mal wurden alte Denkmuster infrage gestellt, zum ersten Mal trat der Riss zwischen Laien und „Amtskirche“, der bis heute nicht gekittet ist, zutage. Die emotionalen Debatten entzündeten sich nicht nur an der Enzyklika „Humanae vitae“, in der Papst Paul VI. den Gläubigen empfängnisverhütende Mittel untersagte. Sie waren auch eine Reaktion auf den sich abzeichnenden Priestermangel und die Massenflucht aus der Kirche. Kardinal Julius Döpfner erkannte den Ernst der Lage: Der Schrumpfungsprozess könne nur überwunden werden, wenn die katholische Vorliebe für das Überkommene aufgegeben werde und man sich ohne bequeme Anpassung an das stürmisch drängende Neue den veränderten Verhältnissen stelle.

Die Gemeinsame Synode der Bistümer war eine Antwort auf Essen. Sie zehrte noch von der Aufbruchstimmung des Zweiten Vatikanums. Aber viele Voten dieses „deutschen Konzils“, etwa zur Priesterweihe bewährter verheirateter Männer oder zum Frauendiakonat, verstaubten in den Archiven. Osnabrück 2008 zeigt es deutlich: Im Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben die Laien zwar noch immer eine verlässliche Vertretung, doch der Wind der Veränderung weht aus einer anderen Richtung: von Bischöfen, die keine eigene Erinnerung an das Konzilsereignis mehr haben; von einem Papst aus Deutschland, der Traditionalisten entgegenkommt, wie am Erlass über die Feier der alten, tridentinischen Messe und an einer Irritationen stiftenden Karfreitagsfürbitte für die Juden abzulesen ist, und der keine Gelegenheit versäumt, „Humanae vitae“ als prophetisch zu preisen.

Die deutschen Bischöfe unter Vorsitz von Kardinal Döpfner hatten versucht, dem umstrittenen päpstlichen Schreiben etwas von seiner Schärfe zu nehmen. In ihrer „Königsteiner Erklärung“, ebenfalls 1968, betonten sie die verantwortete Elternschaft und die Bedeutung der Gewissensentscheidung der Katholiken in ihrem Sexualleben. Ob Benedikt XVI. mit seinem Insistieren auf der Enzyklika von Paul VI. den deutschen Episkopat veranlassen will, „Königstein“ zu revidieren, ist eine spannende Frage. Ultrakonservative Zirkel liegen ihm damit seit Langem in den Ohren.

Das Osnabrücker Christentreffen fällt in die Zeit des größten Strukturwandels im deutschen Katholizismus. Historisch gewachsene Pfarrgemeinden gehen in weitgehend anonymen „pastoralen Räumen“ auf. Man denkt noch immer statisch von der Zahl der verfügbaren Priester her, über die Gründe des Priestermangels wird nicht offen gesprochen. Als sich der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, im Februar in vorsichtiger, abgewogener Form gegen Denkverbote in der Zölibatsfrage wandte, wurde er von Amtsbrüdern geradezu rüde gerüffelt. Dabei sind fehlende Priester eine wesentliche Ursache der pastoralen Neuordnungen. Der junge Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst konstatiert trocken, in der Vergangenheit sei es zu einer „theologischen Überbewertung“ der Gemeinden gekommen. Sie blieben zwar neben der Familie der erste Erfahrungsort des Glaubens, sie seien aber nicht der exklusive Ort von Kirche.

Das ist richtig. Doch drängt sich vielen Laien der Eindruck auf, beim Abschied von der guten, alten Gemeinde nicht immer ausreichend gehört zu werden. Durch die Umstrukturierungen verschwinden viele Pfarrgemeinderäte, das ehrenamtliche Element verliert an Gewicht. Das ZdK und damit die Katholikentagsbewegung haben jahrelang versucht, die Bischöfe für ein pastorales Zukunftsgespräch zu gewinnen, für ein offenes Forum aller relevanten Kräfte der Kirche. Das Projekt musste sang- und klanglos beerdigt werden.

Wollen sich die Oberhirten nicht in ihre diözesanen Karten schauen lassen, befürchten sie, dass ein solches Zukunftsgespräch in eine neue deutsche Synode mündet? Dabei täte es der katholischen Diskussionskultur gut, wenn bei so tief greifenden Veränderungen ein bistumsübergreifender Wind die Segel bliese. Da war die evangelische Kirche 2007 mit ihrem Wittenberger Zukunftskongress weitaus mutiger. Das ZdK kann in Osnabrück nur mit der Mitteilung aufwarten, dass im Protokoll der Bischofskonferenz die „grundsätzliche Bereitschaft“ zu einem Gespräch festgehalten worden ist. Ein schwacher Trost. Die Frustration, von der bis in die oberen Ränge des ZdK die Rede ist, wird sich durch eine simple Protokollnotiz nicht in Luft auflösen. Die katholischen Laien sind zunehmend frustriert

Zuletzt geändert am 12­.06.2008