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Veröffentlicht am 09­.05.2008

9.5.2008 - Publik Forum

„Das ist ja fast schon diktatorisch.“

Der Diözesantag der Katholiken im Erzbistum Köln bespricht die Umbauprozesse im Erzbistum.

Christoph Fleischmann

„Ich finde es sehr stark, dass Ihre Diözese diese Veranstaltung macht – es ist eine Volk-Gottes-Veranstaltung“, so der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher, der als Experte auf dem Kölner Diözesantag eingeladen war. Und er fügte hinzu: „Ich habe den Eindruck, dass Ihre Diözese diese Veranstaltung sehr spät macht.“ Der lachende Applaus des Publikums bekräftigte diesen Eindruck.

Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln hatte zusammen mit der Thomas-Morus-Akademie Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte des Erzbistums eingeladen, um über die anstehenden und vielerorts schon vollzogenen Veränderungen der Gemeindestruktur zu diskutieren. In Köln wird die Anzahl der Gemeinden an der Anzahl der kanonisch ernannten Pfarrer fest gemacht: Pro Pfarrer soll es ab dem Januar 2009 nur noch einen Seelsorgebereich und einen Pfarrgemeinderat geben. Dazu können die Gemeinden sich überlegen, ob sie fusionieren oder sich zu einer Pfarreiengemeinschaft zusammen schließen. Den Kirchenvorständen sind detaillierte Anweisungen gegeben, welche Beschlüsse bis zur Mitte des Jahres zu fassen sind.

Der Redebedarf der Vertreter aus den Laiengremien war enorm: 750 Anmeldungen seien eingegangen, berichtete der Diözesanratsvorsitzende Thomas Nickel, aber nur 450 fanden in den Kölner Balloni Hallen am 19. April Platz. Der Rede- und Klärungsbedarf zeigte sich in den Interviewrunden auf der Bühne und ebenso durch Wortmeldungen aus dem Publikum: Durch die Umstrukturierungen werden viele Pfarrgemeinderäte abgeschafft. Viele Ehrenamtliche hätten den Eindruck, ihre Arbeit sei von den Hauptamtlichen in der Kirche nicht wertgeschätzt, hieß es auf dem Podium. Immer mehr planten den stillen Abgang. Man habe den Eindruck, dass nach langem Reden und Planen über neue Gemeindestrukturen, letztlich doch Köln – also das Generalvikariat – entscheide. Aus dem Publikum wurde eingeworfen, es sei „fast diktatorisch, was wir hier erfahren mussten“. Ein anderer Teilnehmer erbat, dass offen über die Gründe des Priestermangels gesprochen werde, der doch eine wesentliche Ursache all der Neuordnungen sei. Aber dieser Teilnehmer wurde ebenso enttäuscht wie derjenige, der die Idee der viri probati einbrachte; das sind verheiratete Männer, die zu Diakonen oder Priestern geweiht werden.

Diese Ideen wurden nicht diskutiert. Nachdem in der ersten Runde alle mal sagen durften, wie Ihnen ums Herz ist, richtete die zweite Diskussionsrunde mit 18 Teilnehmern den Blick nach vorn: „Was wir in Zukunft benötigen“ sollte innovative Ideen präsentieren. So verliefen sich die Ansätze einer Kritik der Strukturreform. Die Verantwortlichen aus dem Generalvikariat, allen voran Generalvikar Dominikus Schwaderlapp, antworteten routiniert und hörten in erster Linie die Voten, die zu ihren Vorstellungen passen: Nämlich die Sorge um mangelnde Spritualität oder Frömmigkeit in den Gemeinden. Das treibt auch die junge Führungsriege im Generalvikariat um.

Frömmigkeit sei aber ein Geschenk und keine Leistung, warnte der Experten von außerhalb, Professor Rainer Bucher. Man könne sie deshalb nicht kompensatorisch einsetzen bei Problemen, die man mit Umbauprozessen in der Kirche habe. Es sei vielmehr wichtig, die Motivation der Kirchenmitglieder durch echte Partizipation zu fördern. Wie das geschehen solle, blieb offen.

Einen anderen Akzent setzte der Bonner Pfarrer Wolfgang Picken. Der Rätekatholizismus sei nicht alles, so der bekannte Priester aus dem wohlhabenden Godesberg. Seine Gemeinden hätten die „katholische Anarchie“ bei der Fusion genutzt und neue Strukturen geschaffen. Am bekanntesten ist seine Bürgerstiftung Rheinviertel, die Gelder akquiriert und zum Träger von Einrichtungen wird – und gegenüber traditionellen Kirchenstrukturen relativ autonom ist. Die Stiftung trägt zum Beispiel drei Kindergärten. „Da werden wir nur bedingt danach fragen, ob der Generalvikar bestimmte Dinge gut oder nicht gut findet“, so Picken zuversichtlich. Hier ist eine Gemeinde zur kirchlichen Selbstverteidigung übergegangen.

Den Teilnehmern des Diözesantages blieb noch das Gespräch in Kleingruppen. Anschließend wurden Kölner Merksätze verlesen, die vorher feststanden – ergänzt um einige Voten aus den Kleingruppen. Diese Merksätze sind in ihrer Allgemeinheit so richtig wie unverbindlich: „Die Management-Verantwortung steht im Dienst der (priesterlichen) Seelsorge und des Engagements der Laien in den Pfarrgemeinden.“ Diese Merksätze kann man nachlesen auf der Homepage des Kölner Diözesanrates (http://www.dioezesanrat.de/aktuelles/veranstaltungen/Dioezesantag%202008/dioezesantag_08_km.html), die Voten der Kleingruppen nicht. Das Design der Veranstaltung wirkt so, als habe man den Pfarrgemeinderäten das Gefühl geben wollen, sie hätten mal mitreden dürfen. Aber zum Schluss gab es dann auch noch etwas kirchliche Selbstkritik von Generalvikar Dominikus Schwaderlapp. Der sagte das, was alle Politiker sagen, die etwas umsetzen, was keiner will: Die Kommunikation der Maßnahmen sei manchmal „suboptimal“ verlaufen. Alles nur ein Kommunikationsproblem.

Zuletzt geändert am 10­.06.2008