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Veröffentlicht am 20­.06.2008

20.6.2008- Stuttgarter Zeitung

Uni Eichstätt: Der Bischof als Marionette

Kirchenreformer sehen im Machtkampf an der katholischen Hochschule konservative Kräfte am Werk

Eichstätt - An der einzigen katholischen Uni Deutschlands geht es drunter und drüber. Erst annullierte der zuständige Bischof die Wahl eines Präsidenten, dann schob er den Uni-Kanzler aufs Abstellgleis. Der Oberhirte sei dennoch nur ein Getriebene, meinen die Kirchenreformer.

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke gilt als ruhig, bedächtig, unauffällig. Er geht Streit möglichst aus dem Weg, meidet öffentliche Auftritte und wird deshalb jenseits der Grenzen seiner überschaubaren Diözese kaum wahrgenommen. Nur einmal - beim Besuch des Heiligen Landes vor einem Jahr - schaffte er es mit einer unbedachten Bemerkung in die Tagesschau. Da hatte der Theologe für die Zustände in den Palästinensergebieten das historisch belastete Wort Getto gebraucht und dafür Prügel eingesteckt. Hanke gab sich schuldbewusst, so dass sein Name bald in Vergessenheit geriet. Jetzt hat der Bischof wieder - auf unrühmliche Art - von sich reden gemacht, weil er die Wahl eines Uni-Präsidenten in Eichstätt aufhob. Professoren fühlen sich nun von seinen Eingriffen in die akademische Selbstverwaltung brüskiert. Studenten protestierten.

Linientreue statt Lehre und Forschung

Manche sehen den 53-Jährigen nun als willfährigen Vollstrecker derjenigen Strömungen in der Kirche, für die die Freiheit von Lehre und Forschung wenig, aber Linientreue viel zählt. "Für mich ist Hanke nur eine Marionette", sagt etwa Walter Hürter. Der Sprecher der Kirchenvolksbewegung in dem Bistum hält den Bischof für einen Getriebenen der konservativen Kräfte. Rom, aber auch die Bischöfe Gerhard-Ludwig Müller (Regensburg), Walter Mixa (Augsburg) und Reinhard Marx (München) haben seiner Meinung nach Hanke unter Druck gesetzt.

Für diese These spricht, dass Hanke den Konflikt nicht nur spät vom Zaune brach, sondern dabei auch noch einen erstaunlichen Sinneswandel an den Tag legte. Denn die Querelen begannen mit der Weigerung des Bischofs, den vom Hochschulrat zum neuen Unipräsidenten gekürten Theologen und Manager Ulrich Hemel zu bestätigen. Der Schritt kam überraschend. Nach der Wahl im Januar hatte der Bischof zunächst nicht nur Glückwünsche ausgesprochen, sondern auch Hemel mit seiner Frau zum Abendessen eingeladen. Das, so ließ Hemel wissen, habe in angenehmer Atmosphäre stattgefunden. Das Verständnis zwischen den Verantwortlichen war sogar so gut, dass Hemel schon im Voraus erste Termine für die Uni wahrnahm.

Uni-Präsident ist zum dritten Mal verheiratet

Der Klimawandel war dann drastisch. Rom leitete ihn mit ein. Es verweigerte die formal wohl nicht nötige, einen furchtsamen Bischof aber bindende Unbedenklichkeitserklärung für Hemel als Uni-Präsidenten. Die Gründe dafür bleiben bis heute im Dunkeln. Das Privatleben des Hochschullehrers, der zum dritten Mal verheiratet ist, aber nur eine kirchlich gültige Eheschließung vornahm, sei es nicht, hieß es. Auch dass Hemel nicht gerade als Papstfreund gilt, soll keine Rolle gespielt haben. Hanke behauptet neuerdings, er wolle mit seinen Eingriffen am Profil der Uni feilen und die Qualität sichern. Seinen Schwenk kann der Bischof so aber kaum plausibel machen. Dass ihn seine bayerischen Amtsbrüder ins Gebet genommen haben, erscheint deshalb nicht aus der Luft gegriffen. Immerhin sind die an der Finanzierung der Uni mit acht Fakultäten und 4500 Studenten beteiligt. Den Löwenanteil muss allerdings der Freistaat zusteuern. "Hemel ist den konservativen Kräften wohl zu liberal", vermutet Hürter. Die Kirchenreformer bemängeln den schlechten Stil. Sie fürchten um das Image der Uni und um das Ansehen der Kirche, die auf einen autoritären Kurs abdrifte.

Dass jedenfalls der Unabhängigkeit der Hochschule zumindest in Verwaltungsfragen enge Grenzen gesteckt sind, hat der Bischof jetzt klar gemacht. Nachdem im Zuge des Richtungsstreits bereits der kommissarische Vorsitzende der Hochschulleitung und der Senatsvorsitzende von ihren Ämtern zurückgetreten waren, beurlaubte der Bischof auch den Uni-Kanzler. Der wiederum rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen will. Außerdem beauftragte Hanke eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Hochschule zu durchleuchten. Der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten scheint dabei im Hintergrund auf. Klar ist auch die Absicht, die nächste Wahl eines Uni-Präsidenten zu steuern. "Mit dem Großreinemachen will der Bischof den aufmüpfigen Professoren, die protestiert hatten, klar machen, wer das Sagen hat", meint Hürter.

So sehen das auch einige bayerische Hochschulrektoren. Sie gaben in einer Erklärung ihrer Sorge Ausdruck, dass die Weiterentwicklung der gesamten bayerischen Universitätslandschaft von der Auseinandersetzung in Mitleidenschaft gezogen würde. Die Studenten reagieren da gelassener. Der Bischof habe versichert, dass die Autonomie der Uni in Forschung und Lehre unangetastet bleibe, sagt Jessica Weppler, die Vorsitzende des studentischen Konvents. "Wir sind optimistisch, dass die kommissarische Hochschulleitung uns aus dieser Krise herausführt.

Michael Trauthig

Zuletzt geändert am 21­.06.2008