28.6.2008 - Münchner Merkur
Reizthema Pfarreien-Fusion
München - Seit fünf Monaten ist Reinhard Marx Erzbischof der Diözese München und Freising. Schon in seiner Pfingstpredigt im Münchner Liebfrauendom hatte Marx umfassende Strukturreformen für das Erzbistum angekündigt - gestern nun konkretisierte der 54-Jährige, was er darunter versteht: Er will die Zahl der Pfarreien reduzieren. In der Erzdiözese gibt es derzeit 752 Pfarreien. Nur die Hälfte davon hat noch einen eigenen Pfarrer. Künftig soll es nur noch 555 Pfarreien geben, die sich in 200 Pfarreiengemeinschaften organisieren.
Das ist in einigen Gemeinden ein Reizthema: In Aufkirchen und Höhenrain (Kreis Starnberg) etwa wehren sich die Bürger gegen die Absetzung ihres Paters. Zum 1. September wird mit Percha und Wangen eine Pfarreiengemeinschaft gegründet. Der 61-jährige Benediktinermönch muss dann seinen Platz räumen, Die offizielle Begründung des Ordinariats: Mit dem wesentlich jüngeren Pfarrer der Pfarrei St. Christophorus in Percha sei eine langfristige Personalplanung möglich. In Hohenpeißenberg (Kreis Weilheim-Schongau) droht der Pfarrgemeinderat sogar mit Rücktritt, sollte der beliebte 80-jährige Pfarrer wegen der Fusion mit Peiting zurücktreten müssen. Der Kommentar von Personalreferent Wolfgang Schwab: „Mit einem 80-Jährigen kann man keine Zukunft planen." Auch die Gläubigen der Pfarrei St. Maria in München-Bogenhausen wollen sich ihren Pater nicht kampflos nehmen lassen.
Marx erklärte, die einzelnen Pfarreien dürften nicht nur auf sich schauen: „Wenn jede Pfarrei für sich denkt, ist das zu wenig." Er müsse als Oberhirte der Diözese für Gerechtigkeit sorgen. Demografische Entwicklungen und eine zunehmende Zahl an Kirchenaustritten verlangten es, Pfarreien zu Gemeinschaften zusammen zu schließen.
Doch: „Es geht um mehr als Strukturen", betonte Marx. Er wolle im Miteinander die Situation im Erzbistum anschauen. Ein Teil dieses Miteinanders ist das „Zukunftsforum". Die 120-köpfige Versammlung - Priester, Laien und Verantwortliche aus dem Ordinariat - soll neue Konzepte für die Seelsorge entwerfen. Bis 2010 soll viermal eine Vollversammlung tagen. Reinhard Marx rief alle Gläubigen dazu auf, sich an den Überlegungen zu beteiligen. Dazu wurde am Freitag eine interaktive Internetseite freigeschaltet (Adresse siehe unten). Das „Zukunftsforum" sei keine zweite Synode. Es werde, so Marx, keine kirchenrechtlichen Entscheidungen treffen, solle aber „konkret und verbindlich mitsprechen".
Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche" forderte im Hinblick auf die geplanten Umstrukturierungen in „größere pastorale Räume" (Marx), die Gemeinden dürften nicht in unpersönlichen Strukturen untergehen. Es sei kritisch zu hinterfragen, ob es angesichts immer weiter sinkender Priesterzahlen noch genug Pfarrer gebe, die „fähig, willens und ausreichend darauf vorbereitet" seien, Großpfarreien und Pfarrgemeinschaften zu managen".
Zuletzt geändert am 01.07.2008