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Veröffentlicht am 11­.07.2008

11.7.2008 - Publik-Forum

Damit die Kirche nicht zur Sekte wird

Gegen Denk- und Diskutierverbote von oben: Warum die Wir-sind-Kirche-Bewegung nach wie vor wichtig ist.

Von Christian Weisner

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit“, das ist die Hoffnungsbotschaft des Völkerapostels Paulus, der dem Petrus „ins Angesicht widerstand“ und dessen Gedenkjahr gerade in der katholischen Kirche begonnen hat. Paulus hat gezeigt, wie notwendig das Ringen um den richtigen Weg der Kirche ist, damit sie nicht zur Sekte wird. Dieser Geist der Freiheit, den viele auch in der Aufbruchszeit des Zweiten Vatikanischen Konzils erlebt haben, kehrt nicht mehr in die Flasche zurück, damals nicht und heute nicht. Es ist ein Prozess des Mündigwerdens in Gang gekommen, der auch durch päpstliche Denk- und Diskutierverbote nicht mehr zu stoppen ist.

Doch seitens der Kirchenhierarchie wird der Dialog- und Reformbedarf immer noch geleugnet. Darüber konnte auch der Osnabrücker Katholikentag nicht hinwegtäuschen. Die Dialogverweigerung der Bischöfe – vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken bereits vor dem KirchenVolksBegehren 1995 beklagt – besteht fort. Das „Pastorale Zukunftsgespräch“ wurde von der Deutschen Bischofskonferenz vorerst abgesagt und es ist nicht sicher, ob es dem neuen Vorsitzenden, dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, gelingt, seine Mitbrüder zum konstruktiven Dialog zu bewegen. Deshalb braucht es im Kräftespiel von Kirchenhierarchie, verbandlichem Laienkatholizismus, Räten und Ordensgemeinschaften die hierarchie-unabhängige KirchenVolksBewegung, die der „Stimme des Kirchenvolkes“ Gehör verschafft; und die – entgegen der Kritik von Britta Baas (Publik-Forum 11/2008) – auf oberkirchliche Dekrete reagieren muss, wenn und weil viele andere schweigen (müssen).

Aber die Freiheit des Christenmenschen erschöpft sich nicht in bloßer Kritik. Das notwendige Reagieren durch Stellungnahmen und Aktionen wird schon lange ergänzt durch positive Angebote wie die sechs Schwangerenberatungsstellen von Frauenwürde, das Zypresse-Nottelefon bei sexuellem Missbrauch, pastorale Arbeitshilfen, spirituelle Begegnungstage, die Beteiligung an Katholiken- und Kirchentagen und internationale Treffen. Die Gottesdienste mit eucharistischer Gastfreundschaft „am Rande“ des Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin waren ein herausragendes Beispiel, den theologisch begründeten Glaubenssinn des Kirchenvolkes (sensus fidelium) zum Ausdruck zu bringen.

Tatsache ist: Die römisch-katholische Kirche ist weltweit mit immensen pastoralen Problemen konfrontiert. Die Diskussion um Zölibatsverpflichtung und Frauenordination brodelt überall. Auf den Bischofssynoden für Asien, Afrika und Amerika äußerten viele Bischöfe ihre Aufgeschlossenheit für Reformen. Doch der Papst ignoriert alle pastoralen Probleme: ein Zeichen von ängstlicher Führungsschwäche.

Angesichts der Bestrebungen traditionalistischer, konservativer und vorkonziliarer Gruppen, mehr Einfluss innerhalb unserer Kirche zu erringen, ist es notwendig, all jene Menschen, Initiativen und Bewegungen zusammenzubringen, die sich für das Konzil und die darauf aufbauende Theologie und pastorale Praxis einsetzen. Die internationale Vernetzung schafft einen bewussten Gegenpol zum streng-hierarchischen Kirchenmodell. Schon Karol Wojtyla, damals noch Erzbischof von Krakau, gesagt haben: „Jede große Organisation braucht eine loyale Opposition!“

„Frohbotschaft statt Drohbotschaft“ heißt der fünfte Punkt des KirchenVolksBegehrens. Es geht um die Ermutigung, Kirche zu sein und mitzugestalten. Es geht um die Befähigung, dem eigenen Gewissen furchtlos zu folgen und zu tun „was der Geist der Gemeinden sagt“. Trotz schwindender Bedeutung der Volkskirchen - die befreiende Botschaft Jesu wird auch künftig unter den Menschen lebendig bleiben. Denn das Bedürfnis der Menschen nach Religiosität und Gemeinschaft ist nach wie vor groß.

Die große Herausforderung für die Wir sind Kirche-Bewegung ist und bleibt das Zweite Vatikanische Konzil, das besonders in der Zuwendung zur Welt und in der Versöhnung mit den anderen Konfessionen und Religionen neue Wege eröffnet hat. Als Zeugen und Kinder des Konzils haben wir die Verantwortung, das Erbe dieses Konzils gegen jede Zurücknahme seiner Errungenschaften zu verteidigen. Dabei ist es eine konkrete Ermutigung, wenn der Konzilstheologe Hans Küng der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche schreibt: „Ich verspreche Ihnen, mich auch in meinem neunten Jahrzehnt wie bisher nach besten Kräften für die Ziele der gemeinsamen Bewegung einzusetzen.“

Christian Weisner

geboren 1951, ist Mitglied im „Wir sind Kirche Bundesteam“ und Mitinitiator des KirchenVolksBegehrens in Deutschland: weisner@wir-sind-kirche.de; www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 27­.09.2011