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Veröffentlicht am 24­.07.2008

24.7.2008 - Kölner Stadt-Anzeiger

Paul VI. machte die Lust auf Sex madig

Aus für die Pille

VON HARALD BISKUP

Exakt vor 40 Jahren wurde in Rom die Enzyklika "Humanae Vitae" veröffentlicht. Das Lehrschreiben des Papstes legt Katholiken auf die totale Ablehnung künstlicher Verhütung fest. Bis heute tun sich damit viele schwer.

KÖLN - Selbst Erzbischof Reinhard Marx hatte, wie er jüngst bekannte, so seine Schwierigkeiten mit der päpstlichen Sexualmoral und lehnte die Enzyklika „Humanae Vitae - Über die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens“ rundweg ab. 1968 war das, und Marx, damals Schülersprecher eines Gymnasiums in Westfalen, reagierte wie die große Mehrheit der deutschen Katholiken auf das heute vor genau 40 Jahren veröffentlichte Lehrschreiben Papst Pauls VI. Rückblickend freilich befindet Marx, Münchens neuer konservativer Oberhirte, „die Zielrichtung der Enzyklika, die Zeugung nicht vom Geschlechtsakt zu trennen“, habe „an Stärke gewonnen“.

Begeisterung klingt anders. Die verhaltene Stellungnahme zeigt, wie schwer sich bis heute selbst hohe kirchliche Würdenträger in Deutschland mit der rigiden Linie des Dokuments tun. Keine andere Enzyklika hat für vergleichbare Kontroversen gesorgt. Proteste hatte es auch in anderen Teilen der katholischen Welt gegeben, nirgendwo aber war der Widerspruch so vehement wie hier. Der Augsburger Moraltheologe Joachim Piegsa, einer der eher wenigen Vertreter seiner Zunft, der die „Hinordnung des Geschlechtsakts auf die Fortpflanzung“ im Sinne von „Humanae Vitae“ gutheißt, macht dafür den „Zeitgeist“ verantwortlich.

Auch in manchen theologischen Kreisen habe sich damals die Ansicht durchgesetzt, Ehe und Mutterschaft seien unzumutbare Eingrenzungen des sexuellen Lustprinzips. Doch der Widerstand gegen die „Pillen-Enzyklika“ formierte sich in breitesten kirchlichen Schichten. Selbst ganz biedere Katholiken haderten mit dem Papst - gemeinsam mit den Ungeduldigen, getrieben von der Aufbruchstimmung des gerade beendeten Konzils. Kaum ein anderes Verbot wird so einmütig ignoriert wie die Bestimmungen von „Humanae Vitae“.

Eine der Kernthesen des von Benedikt XVI. erst kürzlich bekräftigten Lehrschreibens vom 25. Juli 1968 besagt, dass „jeder einzelne eheliche Akt nur dann sittlich gut ist, wenn er für die Weitergabe des Lebens offen bleibt“. Paul VI. wurde in der Folge von innerkirchlichen Kritikern häufig nur noch als „Pillen-Paul“ tituliert. Der Vatikan beharrt auf seiner Haltung und hält daran trotz Überbevölkerung am Pillen- und Kondomverbot fest. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ fordert, Rom soll endlich „die Erkenntnisse der Humanwissenschaften bezüglich Sexualität“ zur Kenntnis nehmen.

Immerhin haben die deutschen Bischöfe damals die Gewissensnot sehr vieler Katholiken in ihrer „Königssteiner Erklärung“ vom 30. August 1968 erstaunlich offen angesprochen. Das mutige Papier stellt die Verhütung in das Ermessen der Ehepartner. Man werde „die verantwortungsbewusste Gewissensentscheidung der Gläubigen achten“. Konservativen Kreisen hat diese liberale Position nie behagt.

Einen Verbündeten haben sie im Kölner Kardinal Joachim Meisner: Es sei „verheerend“, dass seine Amtsbrüder von einem falschen Gewissensbegriff ausgegangen seien. Gewissen schaffe keine Werte, so Meisner bei einem Treffen sogenannter Lebensschützer, sondern orientiere sich an vorhandenen Normen. Inzwischen werde „Humanae Vitae“, behauptete der Kardinal, sogar von einem Teil der feministischen Bewegung gutgeheißen, weil die Pille zu einer „Vermarktung der Sexualität“ geführt habe.

Zuletzt geändert am 05­.08.2008