25. April 2006 - Mannheimer Morgen
Zustimmung zur Kondom-Freigabe
Kommentar: Überfälliger Schritt
Von Alexander Müller
Und sie bewegt sich doch! Nur wenige Tage nach seinem einjährigen Jubiläum hat Papst Benedikt XVI. das erste große Ausrufezeichen seiner Amtszeit gesetzt: HIV-Infizierten soll die Benutzung von Kondomen gestattet werden. Was der vatikanische „Gesundheitsminister“ Kardinal Javier Lozano Baragàn durchsickern ließ, ist schlicht nichts anderes als eine Sensation. Sicherlich nur ein kleiner, längst überfälliger Schritt für die Menschheit, für die Kirche dagegen ein ganz großer.
Jahrelang war der frühere Papst Johannes Paul II. durch Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gereist, in denen Aids in fürchterlichem Ausmaß grassiert, und hatte im Angesicht des Elends den Gebrauch von Kondomen untersagt. Benedikt scheint klar geworden zu sein, dass die Kirche ihren Grundsätzen zuwider handelt, wenn sie in dieser Frage nichts ändert. Das tödliche Virus ist mit dem Aufruf zur Enthaltsamkeit eben nicht aufzuhalten. Die Kurie konnte nicht mehr billigend in Kauf nehmen, dass Millionen Menschen sterben, nur weil die Benutzung von Präservativen zum Tabu erklärt wird.
Wer aber in diesem Schritt nur den Auftakt zu einer weitergehenden Liberalisierung der katholischen Sexualmoral sieht, der könnte enttäuscht werden. Bis zur völligen Freigabe von Verhütungsmitteln für alle Gläubigen muss die Kirche noch einen sehr weiten Weg zurücklegen. Aber der deutsche Papst hat mit seinem neuesten Schritt bewiesen, dass er immer wieder für eine Überraschung gut ist.
Zuletzt geändert am 09.05.2006