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Veröffentlicht am 28­.10.2008

28.10.2008 - Die Linkszeitung

Die Kirche: Nicht Museum, sondern lebendiger Garten

Von Klaudia Ring

Rom/ München (LiZ). Die katholische KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" erinnert an Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli, der heute vor 50 Jahren - am 28. Oktober 1958 - zum Papst gewählt wurde und sich den Namen Johannes XXIII. gab. Erst im elften Wahlgang wurde er gewählt, dann aber mit weit mehr als der erforderlichen Zahl der Stimmen. Er war ein Übergangspapst (Papa di passaggio) - im positivsten Sinne. Wie kein anderes Kirchenoberhaupt im 20. Jahrhundert führte er die römisch- katholische Kirche in die Neuzeit. Als erster Papst seit der Reformation entwickelte er ein Bewusstsein für Fragen der Ökumene und bereits nicht einmal drei Monate nach seiner Wahl äußerte er zum ersten Mal die Idee für ein Konzil, mit dem sein Name untrennbar verbunden bleiben sollte.

Im Volksmund "Il Papa buono" (der gute Papst) genannt, sollte man sich nicht durch seine Herkunft (am 25. November 1881 in der ländlichen Provinz Bergamo geboren) und seine Statur täuschen lassen. Er war keinesfalls ein naiver Bauernpfarrer, sondern seit 1925 ein höchst sensibler und erfolgreicher Kirchendiplomat: Apostolischer Legat für Bulgarien und später für die Türkei, von 1944 bis 1952 allseits geachteter Apostolischer Nuntius in Frankreich. Als Papst vermittelte Johannes XXII. erfolgreich in der Kubakrise und ergriff zahlreiche andere Friedensinitiativen. Seine Enzyklika "Pacem in terris" aus dem Jahre 1963 fand weltweite Beachtung - auch außerhalb des Christentums.

Schon mit der Wahl seines Namens machte er deutlich, dass er mit der schwierigen Tradition seiner direkten Vorgänger brechen würde. In den nur viereinhalb Jahren seines Pontifikats gewann die römisch-katholische Kirche ein menschlicheres, einladenderes Gesicht und öffnete sich für die Fragen und Nöte der Menschen in aller Welt. "Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten, sondern um einen blühenden Garten voller Leben zu pflegen", ist eine der vielen Aussagen von bleibender Bedeutung, mit denen dieser unvergessene Papst Mut und Hoffnung weckte.

Bezeichnend für Johannes XXII. war sein Optimismus für die Zukunft der Menschheit sein starkes Gottvertrauen und ein kritischer Blick auf die Kirchengeschichte. Das brachte er auch in seiner legendären Rede zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 zum Ausdruck. Eine Botschaft, die gerade auch in der heutigen Zeit für die Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche dringend nötig wäre.

Die aus dem 1995 in Österreich gestarteten Kirchenvolks-Begehren hervorgegangene KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" fühlt sich dem am 3. September 2000 seliggesprochenen Papst besonders verbunden. Auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sowie der darauf aufbauenden theologischen Forschung und pastoralen Praxis setzt sich die mittlerweile internationale Bewegung "Wir sind Kirche" für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche ein, die der Konzilspapst Johannes XXIII. auf den Weg gebracht hat.

Zuletzt geändert am 29­.10.2008