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Veröffentlicht am 05­.01.2009

5.1.2009 - Die LinksZeitung

«Wider die Entmündigung»: Katholiken wehren sich

Montag, 5. Januar 2009 Foto: Petersplatz in Rom: Katholiken wenden sich seit 20 Jahren gegen die päpstliche Disziplinierung der Bischöfe und der Theologie.

Rom/München (Liz). Die "Kölner Erklärung" vom Dreikönigstag 1989, die sich gegen die päpstliche Disziplinierung der Bischöfe und der Theologie in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) wendete, habe bis heute nichts von ihrer Dringlichkeit verloren, sondern sei angesichts der römischen Erlasse und des restaurativen Kurses der letzten Jahrzehnte aktueller denn je. In vielen Punkten seien die damals formulierten Befürchtungen und Warnungen eingetreten oder sogar überboten worden, erklärt die KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" zum 20. Jahrestag der "Kölner Erklärung".

Die von Rom verfolgte Praxis der Bischofsernennungen, die Eingriffe in die Freiheit theologischer Forschung und Lehre auf der ganzen Welt sowie der Versuch Roms, die päpstliche Unfehlbarkeit auf moralische Fragen auszudehnen, sahen die Autoren der "Kölner Erklärung" als schleichende Rücknahme der dialogischen Struktur der römisch-katholischen Kirche, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil noch betont hatte. Ein Anlass waren sicher auch die Papstansprachen im Herbst 1988 zur Geburtenregelung, 20 Jahre nach Veröffentlichung der Enzyklika "Humane Vitae". Bezogen auf den von Rom durchgesetzten Wechsel von Kardinal Joachim Meisner von Berlin nach Köln wurde die nachträgliche Änderung der Wahlordnung kritisiert.

Seit der heftig umstrittenen Enzyklika "Humanae vitae" (1968) hat das römische Lehramt versucht, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils durch immer neue Verordnungen und Erlasse einzugrenzen und einzuengen und den Glauben der Kirche gegen Irrtümer von innen und von außen zu verteidigen. Doch statt sich hinter fixierten Formeln und unabänderlichen Sätzen zu verschanzen, sollte die römisch-katholische Kirche das wachsende Verlangen nach Glaubenstiefe ernst nehmen. Nach Ansicht der katholischen Reformbewegung beschleunigt ein angstmotivierter, allein auf Bewahrung des "bewährten Alten" festgelegter Verteidigungskurs den Prozess der Verdunstung des Christentums in unseren modernen Gesellschaften.

Bereits 1968 hatte Hans Küng die Erklärung "Für die Freiheit der Theologie" entworfen, die von Yves Congar, Karl Rahner und Edward Schillebeeccks überarbeitet und schließlich von 1.360 katholischen Theologinnen und Theologen aus aller Welt – darunter auch Joseph Ratzinger – unterzeichnet wurde. – Am 19. November 1988 hatten die fünf Pastoraltheologen Norbert Greinacher, Norbert Mette, Leo Karrer, Herrmann Steinkamp und Ottmar Fuchs die Erklärung "Die kirchliche Einheit wird aufs Spiel gesetzt!" veröffentlicht.

Die "Kölner Erklärung: Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität" wurde bis Mai 1989 von über 220 katholischen Theologieprofessorinnen und -professoren aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden unterzeichnet, darunter Franz Böckle, Johannes Brosseder, Peter Eicher, Ottmar Fuchs, Norbert Greinacher, Johannes Gründel, Friedhelm Hengsbach SJ, Peter Hünermann, Albert Keller SJ, Hans Küng, Norbert Mette, Johann Baptist Metz, Dietmar Mieth, Norbert Scholl, Knut Walf, Jürgen Werbick und Hans Zirker. Als wesentliche Initiatoren gelten Dietmar Mieth, Norbert Greinacher, Albert Keller SJ sowie Peter Eicher.

Dem Geist der Kölner Erklärung, die den Protest wider die Entmündigung auf den Punkt brachte, hatten sich später über 700 Theologinnen und Theologen in der ganzen Welt angeschlossen. Ein wesentliches Ergebnis der Kölner Erklärung war die Gründung der "Europäischen Gesellschaft für katholische Theologie (ET)" im Jahr 1989. Auch das KirchenVolksBegehren, das 1995 allein im deutschsprachigen Raum 2,5 Millionen Unterschriften erhielt, ist den Reformbewegungen zuzuordnen, die sich zum Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauf aufbauenden theologischen Forschung und pastoralen Praxis bekennen.

Info
Links und Lesetipps:

* "Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität" - Kölner Erklärung katholischer Theologieprofessorinnen und Theologieprofessoren vom Dreikönigsfest, 6.1.1989:
http://www.wir-sind-kirche.de/files/90_kölnerkl.pdf

* Werner Böckenförde: "Kirchenrechtliche Anmerkungen zur gegenwärtigen Lage in der römisch-katholischen Kirche", Vortrag gehalten auf der Wir sind Kirche-Bundesversammlung am 3. Oktober 1998 in Würzburg zum Download als pdf-Dokument

Zuletzt geändert am 02­.01.2014