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Veröffentlicht am 27­.01.2009

27.1.2009 - WELT-online

Deutsche Bischöfe und Vatikan entsetzt über Holocaust-Leugner

Scharfe Kritik an britischem Bischof Williamson

Berlin - Die päpstliche Rehabilitierung eines Bischofs, der den Holocaust leugnet, sorgt in Deutschland für Aufruhr. Der Sprecher der Katholischen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, distanzierte sich von den Äußerungen des britischen Bischofs Richard Williamson, dessen Exkommunizierung Papst Benedikt XVI. am Wochenende aufgehoben hatte. Die Leugnung der Shoah sei "inakzeptabel" und gehöre nicht zur Lehre der katholischen Kirche, sagte Kopp.

Der 67-jährige Williamson, der seit Jahrzehnten in Nord- und Südamerika arbeitet, hatte in einem Interview des schwedischen Fernsehens gesagt, er denke, dass "200 000 bis 300 000 Juden in den Konzentrationslagern gestorben" seien, aber nicht ein einziger von ihnen in Gaskammern. Das Interview wurde in Zaitzkofen bei Regensburg aufgenommen, weshalb die dortige Staatsanwaltschaft auch gegen ihn wegen Volksverhetzung ermittelt.

"Williamson wird früher oder später seine Äußerung zurückziehen müssen", sagte Kopp im ZDF. Er habe sich verpflichtet, die Lehre der katholischen Kirche anzuerkennen - dazu gehöre auch das Versprechen der katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), den Dialog mit dem Judentum voranzutreiben. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, erklärte, Leute wie Williamson seien eine "schwere Belastung" für die Kirche. Man habe immer gewusst, dass zwischen der Ablehnung der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Traditionalisten und ihrer "reaktionären und freiheitsfeindlichen Haltung" ein enger Zusammenhang bestehe.

Bundestagsvizepräsident und ZdK-Mitglied Wolfgang Thierse (SPD) verurteilte die "antisemitischen Misstöne" und forderte ein klares Wort des Papstes. Ähnlich äußerte sich die katholische Friedensbewegung Pax Christi. Williamson stehe in einer Reihe mit Holocaust-Leugnern, die über pseudowissenschaftliche Methoden die NS-Gräueltaten zu verharmlosen suchten. Thierse rief indes einen Tag vor dem Internationalen Holocaust-Gedenktag dazu auf, aktiv gegen Fremdenhass und Antisemitismus vorzugehen.

Der Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, kritisierte, dass der Vatikan ohne jede Vorbedingung auf die Traditionalisten zugegangen sei.

Auch der Vatikan wies die Äußerungen des Bischofs zum Holocaust zurück. "Wir distanzieren uns von jeder Form der Holocaust-Leugnung", sagte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, der Tageszeitung "La Repubblica". Der für den Dialog mit dem Judentum zuständige deutsche Kurienkardinal bezeichnete Williamsons Leugnung der Gaskammern für Juden als "inakzeptabel". "Nazi-Jäger" Efraim Zuroff sagte dem Blatt: "Ein schlimmer Skandal. Die schlimmste Beleidigung seit Ahmadinedschad."

Der Anhänger der erzkonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. habe mit seinen "inakzeptablen" Aussagen der "Lehre der Kirche widersprochen", schrieb die offizielle Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano". Ein Katholik dürfe die Verurteilung des Antisemitismus' nicht in Frage stellen. Die Zeitung verteidigte die Entscheidung des Papstes als einen Akt der Barmherzigkeit. Sie erinnerte daran, dass die Bischöfe suspendiert seien und weiterhin keine Weiheaufgaben übernehmen dürften.

Williamson ist einer von vier Bischöfen einer traditionalistischen Glaubensgemeinschaft um den erzkonservativen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre, deren Exkommunikation Papst Benedikt XVI. nach mehr als 20 Jahren aufgehoben hatte. Noch unklar ist, wie die 493 Priester der Bruderschaft und die rund 600 000 Anhänger auf die Geste der Aussöhnung reagierten. DW

Zuletzt geändert am 27­.01.2009