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Veröffentlicht am 19­.02.2009

19.2.2009 - Südwest-Presse

„Der Papst hat einen schweren Amtsfehler begangen“

Tübinger Theologe wirft Benedikt XVI. vor, im Fall der Pius-Bruderschaft gegen das Kirchenrecht verstoßen zu haben

Die Pius-Bruderschaft hat wesentliche Voraussetzungen einer Rehabilitierung nicht erfüllt. Das sagt der renommierte Tübinger Theologe Peter Hünermann. Er wirft dem Papst einen schweren Amtsfehler vor.

ELISABETH ZOLL

Herr Professor Hünermann, der Regensburger Bischof Müller will drei Professoren bestrafen, die einen Aufruf unterstützen, der auf der uneingeschränkten Gültigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils besteht. Verstehen Sie die Reaktion des Bischofs?
PETER HÜNERMANN: Nein. Nach meiner Auffassung kommen Sanktionen nur in Frage für sehr gravierende Fehler, Verleumdungen. In dem Aufruf steht nichts, was durch das Kirchenrecht verboten wäre. Die Petition bekräftigt nur, dass das Zweite Vatikanische Konzil keine Verhandlungssache ist. Auch nicht in Bezug auf die Pius-Bruderschaft.

Deren Rehabilitation spaltet die Kirche. Werden die Ultrakonservativen auf den Kurs Roms einschwenken?
HÜNERMANN: Das kann ich nicht erkennen. Ein Entgegenkommen der Bruderschaft entnehme ich weder dem Brief, den Traditionalistenbischof Bernhard Fellay an den Papst geschrieben hat. Noch entnehme ich das seinen Äußerungen nach Aufhebung der Exkommunikation. Noch geht das aus den web-Seiten der Bruderschaft hervor.

Und dennoch hat Papst Benedikt der Bruderschaft die Hand gereicht.
HÜNERMANN: Ich will nicht bestreiten, dass Benedikt die Exkommunikation in gutem Glauben aufgehoben hat. Aber es wird im Kirchenrecht gesagt, dass solche Aufhebungen nur möglich sind, wenn die Betreffenden ihre Schuld eingestehen und reumütig zurückkehren. Bei Monsignore Fellay ist das nicht der Fall. Er fordert die Aufhebung einer Ungerechtigkeit. Das ist etwas ganz anderes.

Von Reue und Wiedergutmachung ist also keine Rede?
HÜNERMANN: Nein. Damit fehlen wesentliche Voraussetzungen für die Aufhebung einer Beugestrafe. Nach dem Canon 126, des Kirchenrechts liegt damit eine Handlung vor, die in sich nichtig ist.

Papst Benedikt hat den Traditionalisten vor ihrer Rehabilitierung keine Bedingungen gestellt.
HÜNERMANN: Er hätte im Vorfeld fordern müssen, dass die Pius-Bruderschaft zuerst ein Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil ablegt und denWeg ins Schisma bereut, den sie mit ihren häretischen Positionen eingeschlagen hat. Hier liegt ein Amtsfehler vor.

Ein schwerer Amtsfehler?
HÜNERMANN: Ein schwerer Amtsfehler. Der Papst verstieß in der Rücknahme der Exkommunikation in gravierender Weise gegen Glauben und Sitten. Zudem hat der Amtsfehler zu einer erheblichen Verunsicherung in der Kirche geführt und im Urteil zahlreicher Theologen den Papst in seinem Amt und in seiner Glaubwürdigkeit schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Und trotzdem stehen in Regensburg jetzt Theologen am Kirchenpranger nicht der Papst. Soll dort die Feuerwehr abgestraft werden, während der Brandstifter unbehelligt bleibt?
HÜNERMANN: Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere Bischof der Weltkirche im vergangenen Jahrhundert lebt, als es noch das Delikt der Majestätsbeleidigung gab. Das mutet merkwürdig an.

„Merkwürdig“ erscheint auch, dass Bischof Müller von den Theologen nun ein Glaubensbekenntnis und einen Treueeid verlangt.
HÜNERMANN: Ich gehe davon aus, dass die Theologen jeden Sonntag das Glaubensbekenntnis mitsprechen. Ich weiß nicht, was sie nun veranlassen sollte, einen speziellen Treueeid abzulegen. Da sollte man die Kirche im Dorf lassen.

Haben Sie Sorge, dass auch andere Ortsbischöfe versuchen werden, engagierte, kritische Christen mundtot zu machen?
HÜNERMANN:Unsere Gesellschaft hat die Erfahrung gemacht, dass Meinungsfreiheit und kritische Stellungnahmen nötig sind. Nur so kann ein Grundkonsens in ganz gravierenden Fragen erreicht werden. Wenn die Kirche davon spricht, dass alle wir alle Zeugen des Glaubens sind, dann hat jeder das Recht die Pflicht zu sagen, was er denkt. Nur so erfolgen die notwendigen Korrekturen.

Sie sagten, der Papst hat der Kirche schweren Schaden zugefügt. Können sie jetzt weitermachen als wäre nichts gewesen?
HÜNERMANN: In dieser schweren Krise muss die Kirche gut zusammenstehen und am Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils weiterbauen. Da hat jeder an seinem Platz Möglichkeiten.Man kann beispielsweise am Ende von Gottesdiensten Christenlehre halten, um Kernpunkte des Konzils zu diskutieren.


Professor Peter Hünermann, war Ordinarius für Dogmatik an der Universität Tübingen.

Zuletzt geändert am 19­.02.2009