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Veröffentlicht am 19­.02.2009

19.2.2009 - Südwest-Presse

Kirche steht vor Scherbenhaufen Kritik von Dogmatikprofessor Hünermann

Darf sich der Papst über ein Konzil stellen oder es nach seinem Gusto interpretieren? Nein! So lautet die Antwort von Prof. Peter Hünermann, der in Ulm über die Krise der katholischen Kirche sprach.

VERENA SCHÜHLY

Ulm.Die Krise der katholischen Kirche ist in den Gemeinden angekommen. Das zeigte sich deutlich am Dienstagabend im brechend vollen Saal des Gemeindehauses von Sankt Georg. Rund 350 Menschen waren gekommen, um den Vortrag des emeritierten katholischen Dogmatikprofessors Peter Hünermann „Quo vadis – wohin geht die katholische Kirche?“ zu hören. Die meisten von ihnen trieb die Frage um, was sie vom Verhalten Papst Benedikts XVI. halten sollen. Und dafür hatte der frühere Uniprofessor klare und klärende Worte.

Sehr differenziert legte er dar, warum die Aufhebung der Exkommunikation von Bischöfen der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft eben keinMissverständnis, kein Betriebsunfall und auch kein Kommunikationsproblem der Kirchenleitung in Rom war, sondern etwas anderes: Pure Absicht, schon seit Jahren vorbereitet durch den Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, der heute Papst ist und die Sache am Kirchenrecht vorbei durchgeboxt hat. „Das ist Amtsmissbrauch des Papstes“, sagte Hünermann mit Nachdruck.

Warum? Weil das Kirchenrecht eindeutig vorschreibt, dass als Voraussetzung der Aufhebung einer Kirchenspaltung ein „Akt der Reue“ der Exkommunizierten zwingend notwendig ist. Einen solchen – eine glaubwürdige Änderung ihrer Einstellung – haben die Lefebvre-Anhänger, die wichtige Punkte des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen, nicht erkennen lassen. Hünermann: „Damit fehlt die Voraussetzung. Also ist die Aufhebung nicht rechtens und die Entscheidung des Papstes nichtig.“

Der Referent betonte aber, dass sich diese harsche Kritik auf den Umgang des Kirchenoberhaupts mit den Ultrakonservativen beziehe: „Er ist kein Häretiker, er hat auch andere Seiten.“ Der Papst spüre die Akzeptanzkrise der Kirche in der heutigen Zeit und den Ausweg, den er für sich sehe, sei die Rückbesinnung auf die konservativen Kreise. Aber die Traditionalisten lehnen die Inhalte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) ab, das unter anderem die Liturgie reformiert und die Landessprache im Gottesdienst eingeführt, Religions- und Gewissensfreiheit proklamiert und sich für die Ökumene stark gemacht hat.

Damit stößt Benedikt XVI. sehr viele Bischöfe, Priester und katholische Laien vor den Kopf. „Der Papst hat das Vertrauen in den Dienst des Petrus zutiefst erschüttert“, sagte Hünermann. Es handelt sich also um eine wirkliche Krise, die die Grundfeste des Glaubens vieler Menschen erschüttert. „Die Kirche steht vor einem Scherbenhaufen gewaltigen Ausmaßes.“

Was muss die Kirche nun tun? Welchen Weg soll sie einschlagen, damit sie aus der Krise herausfindet? Die Ratlosigkeit wurde auch in der anschließenden Diskussion spürbar. Es gab Stimmen, die die Bischöfe im Protest gegen Romunterstützen wollen. Bei anderen war deutlich erkennbar, dass sie Schwierigkeiten hatten mit Hünermanns Wortwahl und statt „Amtsmissbrauch“ lieber von einem „Fehler“ des Papstes sprechen wollten.

Und was können die Laien tun? Eine konkrete Antwort auf diese Frage hatte Hünermann nicht. Aber er vertraue auf die „Selbstreinigung der Kirche“, die von den Amtsträgern in hohem Maße „Nüchternheit, Demut und Verzicht aufMachtstreben“ fordere. Weiter warb er dafür, sich in den Gemeinden „auf den Geist des Evangeliums zu besinnen“ und sich mit den Inhalten des Zweiten Vatikanischen Konzils zu beschäftigen. Die Vermittlung der Inhalte der Reform sei in den 60er Jahren nicht tief genug gegangen. „Das Volk der Gläubigen und die Priester müssen sich gemeinsam auf denWeg machen und sich die Inhalte aneignen, nach außen tragen und mit Leben füllen.“ So lasse sich ein Weg aus der Krise finden. Die Zuhörer dankten Hünermann mit lang anhaltendem Beifall für seine klaren Worte.

Zuletzt geändert am 20­.02.2009