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Veröffentlicht am 28­.02.2009

28.2.2009 - Süddeutsche Zeitung

„Schwerer Stein zwischen Juden und Christen”

Der Umgang mit der erzkonservativen und teilweise antisemitischen Pius-Bruderschaft spaltet die Deutsche Bischofskonferenz

Von Matthias Drobinski

München – Seit 60 Jahren gibt es die „Woche der Brüderlichkeit” der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit; ein bisschen steif und grau sind die Veranstaltungen geworden. Dieses Jahr ist die Eröffnung in Hamburg, Bundespräsident Horst Köhler spricht, der katholische Theologe Erich Zenger erhält die Buber-Rosenzweig-Medaille. „Doch dieses Jahr ist die Woche ein wirklich spannendes Projekt”, sagt Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Und ich hoffe, dass jetzt nicht über alles die Harmoniesoße gegossen wird.”

Es gibt etwas zu klären zwischen katholischen Christen und Juden. Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft aufgehoben, einer Gruppe, die unter anderem die Glaubens-, und Religionsfreiheit ablehnt und deren Mitglieder sich immer wieder judenfeindlich geäußert haben. Ihr Bischof Richard Williamson leugnet den Holocaust und hat sich nun, nach einigem Nachdenken, dafür entschuldigt, dass er so viel Aufregung verursacht hat (siehe Meldung). „Das war keine Panne”, sagt Zentralrats-Generalsekretär Kramer, „Papst Benedikt weiß, wen er da aufgewertet hat. Solange diese verfassungsfeindliche Extremistentruppe nicht wieder exkommuniziert ist, liegt ein schwerer Stein zwischen Juden und Christen.” Ausgerechnet jetzt. Zur Woche der Brüderlichkeit. Wo zur gleichen Zeit und ebenfalls in Hamburg sich die deutschen Bischöfe treffen – am Montagmorgen auch noch mit der Rabbinerkonferenz.

Eineinhalb Stunden wollen sich die knapp 70 Bischöfe und Weihbischöfe in Hamburg Zeit für die Frage nehmen, was der Streit um die traditionalistische Splittergruppe für sie und den deutschen Katholizismus bedeutet. An der Basis ist die Empörung groß, Zehntausende haben eine Erklärung unterschrieben, die den Papst heftig für die Milde gegenüber den Pius-Brüdern kritisiert. Die eineinhalb Stunden werden mehr über den Zustand der Bischofskonferenz und den deutschen Katholizismus sagen als der Studientag zu Weltwirtschaftkrise, der eigentlich im Mittelpunkt der Beratungen im Elysee-Hotel stehen sollte.

Denn die Bischofskonferenz ist tief gespalten in dieser Frage. Viele Bischöfe sind erschrocken und empört über die Aufwertung der aggressiven Gegner des Zweiten Vatikanischen Konzils; in gewundenen Erklärungen haben sie die gute Absicht des Papstes hervorgehoben, die Pannen im Vatikan verurteilt und klargestellt, dass Antisemiten keinen Platz in der Kirche haben dürften. „Sie sehen, dass es hier sehr wohl um eine Richtungsentscheidung geht”, wie der emeritierte Tübinger Theologe Peter Hünermann sagt, der im Fachblatt Herder-Korrespondenz dem Papst vorgeworfen hat, „einen Amtsfehler” begangen zu haben. „Es geht um die Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils”, sagt er; viele Bischöfe sähen das ähnlich. Offen zu sagen trauen sich das nur wenige – man weiß, dass der Papst verärgert ist über die Aufregung in Deutschland. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky jedoch hat wütend reagiert, auch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann hat deutlich gesagt: Bei Leuten wie Williamson müsse ohne eine echte Umkehr die Exkommunikation wieder in Kraft treten.

Die Gegenposition ist vor allem in Bayern; hier wünscht man, zugespitzt gesagt, einen Themenwechsel. Hat nicht der Papst klar gesagt, dass er gegen jede Form von Antisemitismus ist, haben die Bischöfe sich nicht deutlich von den Piusbrüdern distanziert, ist nicht Bundeskanzlerin Angela Merkels Papstkritik übers Ziel hinausgeschossen? Aus dieser Lesart heraus läuft gerade eine Polit- und Medienkampagne gegen Papst Benedikt XVI. und die ganze katholische Kirche. Am schärfsten vertritt diese Meinung der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller; er bedroht drei Professoren der Regensburger theologischen Fakultät mit Strafe, weil sie die papstkritische Petition unterschrieben haben. Das lehnen die anderen bayerischen Bischöfe ab, in der Tonart aber haben sie sich Müller angeschlossen; sie beklagen die „zum Teil sehr einseitigen Darstellungen in den Medien” und versichern dem Papst ihre Solidarität.

Die „Woche der Brüderlichkeit” wird für den seit einem Jahr amtierenden Bischofskonferenzvorsitzenden, den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, eine schwere Woche. Er soll eine Konferenz zusammenhalten, in der einzelne Mitglieder alles tun, damit der Konflikt weitergeht. Der Augsburger Bischof Walter Mixa sagte beim politischen Aschermittwoch der CSU in Dinkelsbühl, dass es den Judenmord mit sechs Millionen Opfer natürlich gegeben habe – dass aber seit dem Krieg in Deutschland mehr als neun Millionen Kinder abgetrieben worden seien. „Mit Empörung” dementiert Mixas Sprecher, dass dies eine Relativierung des Holocaust sei. „Historisch absurd und eine perfide Herabwürdigung aller Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, abgetrieben haben”, kommentiert Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland.

Und noch ein anderer Querschuss dürfte in Hamburg diskutiert werden: Im Eifer der Papst-Verteidigung ist auf der Homepage des Bistums Regensburg ein Text der konservativ-katholischen Internetplattform kath.net übernommen worden. Dort nimmt sich Franz Norbert Otterbeck, ein Rechtsanwalt, unter anderem Lehmann, den Ex-Bischofskonferenzvorsitzenden, vor. Der, ein „Theologe und Karnevalist” und „einstmals so leistungsstark” (Lehmann hat Herzprobleme), habe „anscheinend nicht kapiert”, was das Konzil zur Autorität des Papstes gesagt habe. Seit 1848 gibt es die Bischofskonferenz. Dass zur „Woche der Brüderlichkeit” ein Amtsbruder auf diesem Niveau angegangen wird, ist neu.

Fotounterschrift:
Eine Konferenz, die erkennbar auseinanderstrebt: Am Montag treffen sich die knapp 70 deutschen Bischöfe und Weihbischöfe zu ihrer traditionellen Frühjahrsversammlung in Hamburg (hier ein Bild der Konferenzteilnehmer vor zwei Jahren in derBasilika von Weingarten). Die Aufhebung der Exkommunikation der Pius-Brüder durch den Papst wird Anlass zu heftigen Diskussionen geben. Foto: ddp

Zuletzt geändert am 01­.03.2009