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Veröffentlicht am 04­.03.2009

4.3.2009 - weltonline.de

Kritik am Papst – für deutsche Bischöfe tabu

Von Gernot Facius

Die katholischen Bischöfe stecken bei ihrem Treffen in Hamburg in einem Dilemma. Einerseits wird von ihnen lautstark gefordert, sich eindeutig zu den Pius-Brüdern und der Causa Williamson zu äußern. Andererseits wollen sie aber keine Konfrontation mit dem Papst riskieren. Das liegt auch an Vorfällen in der Vergangenheit.

Der Kapuziner-Pater Stefan Knobloch gehört nicht zu den lautstarken Rebellen wider Papst und Kurie. Franziskanische Demut hindert den 71-Jährigen freilich nicht daran, im Streit über den vatikanischen Gnadenakt für vier Traditionalistenbischöfe Klartext zu reden. Mit einem drastischen Vergleich. Es sei hier offenbar wie mit den „Kreuzberger Nächten“, sagte der emeritierte Mainzer Pastoraltheologe: „Erst fang'n se ganz langsam an, aber dann, aber dann!“ Soll heißen: Von der Wiedereinführung der tridentinischen Messe als außerordentliche Form des römischen Ritus, die womöglich mit der Zeit die Liturgiereform geschaffene Messe verdrängen soll, bis zur Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvrianer-Hirten führe ein direkter Weg.

Knobloch und die Bewegung „Wir sind Kirche“ lieferten die basiskirchliche Begleitmusik zu den Hamburger Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) über einen Ausweg aus der Krise, in die Papst Benedikt XVI. seine Kirche gestürzt hat. „Wir sind Kirche“ übergab dem Sekretär der DBK, Pater Hans Langendörfer, eine „Petition“ mit 36.000 Unterschriften für die volle Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Darin ist von einer vatikanischen „Rückwärtswendung“ die Rede; durch sie werde zugelassen, „dass Teile der römisch-katholischen Kirche offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des II. Vatikanischen Konzils ablehnen dürfen“. Bayerische Bischöfe haben gegen diese Initiative protestiert, der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller stellte drei Professoren, die den Text unterschrieben haben, „Konsequenzen“ in Aussicht, von denen derzeit aber nicht mehr die Rede ist, und auch Langendörfer zeigte sich eher reserviert.

Erinnerung an 1968

Gleichwohl hat die „Petition“ eine Dynamik entfaltet. Die Bischöfe können den Protest nicht ignorieren. Es sind honorige Stimmen, die sich zu Wort gemeldet haben: Professoren, Priester und Laien, auch Politiker. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht Glaubwürdigkeit und Einheit der katholischen Kirche infrage gestellt. Deshalb sollte die Deutsche Bischofskonferenz ein „eindeutiges und unmissverständliches Bekenntnis“ zu Beschlüssen des Konzils formulieren – „um der Zukunftsfähigkeit unserer Kirche willen“.


Bischof droht Journalisten in Heathrow

Der Druck, sich eindeutig zu äußern, ist bei den Bischöfen angekommen. Der Inhalt der geplanten Stellungnahme ist klar: Das Konzil steht nicht zur Disposition. Für Leugner der Judenvernichtung wie den Traditionalistenbischof Richard Williamson sei kein Platz in der Kirche, hat der DBK-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, schon klargestellt. Zollitsch verlangte sogar die abermalige Exkommunikation der umstrittenen Bischöfe, sollten sie sich nicht unmissverständlich zum Konzil bekennen.

Doch über Details und Form der offiziellen Stellungnahme wurde gestern noch debattiert, eine öffentliche Erklärung blieb aus. Lieber widmete man sich dem Studientag zur Wirtschafts- und Finanzkrise. Direkte oder auch nur versteckte Kritik am Papst soll auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Eine „Hamburger Erklärung“, von allen Bischöfen gemeinsam abgegeben, könnte in Rom zudem neuen Argwohn gegenüber den deutschen Oberhirten hervorrufen. Der Vatikan hat sich bis heute nicht mit der „Königsteiner Erklärung“ von 1968 abgefunden, in der die Deutsche Bischofskonferenz die Enzyklika „Humane vitae“ von Papst Paul VI. über das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung in einem pastoralen Sinn relativierte.

Parallelen zu „Königstein“ möchte man in Hamburg unbedingt vermeiden. Gleichzeitig war in Gesprächen mit Teilnehmern des Bischofstreffens immer wieder zu hören: „Wir dürfen uns jetzt nicht auseinanderdividieren lassen.“ Es gab Differenzen über die Art des Vorgehens. Aber anders als 1999 beim vom Papst geforderten „Ausstieg“ aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung zeichneten sich diesmal keine Einzelgänge ab. In der Causa Traditionalisten wollen alle Klarheit – vor allem die Gläubigen in den Gemeinden.

"Ein hochsensibles Thema"

Erzbischof Zollitsch hat die Konferenz in seiner ruhigen Art geleitet. Er ging auf Distanz zum Augsburger Bischof Walter Mixa, der wieder einmal den Holocaust und die Abtreibung in ein und derselben Rede untergebracht hatte. Zollitsch scheint entschlossen, seine Mitbrüder vor unsensiblen Äußerungen zu warnen, die den christlich-jüdischen Dialog in Zukunft belasten könnten. Mixa meinte jedoch, er würde die Rede wieder so halten. Offenbar ist es aber gelungen, atmosphärische Störungen im interreligiösen Gespräch einigermaßen zu bereinigen. Dafür spricht auch, dass Vertreter des Judentums die Reaktion deutscher Bischöfe auf die päpstliche Entscheidung, die vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft von der Exkommunikation zu befreien, gewürdigt haben.

Zollitsch will schon in der nächsten Woche mit Papst Benedikt in Rom zusammentreffen. Den Wunsch nach einem Kontakt mit dem Kirchenoberhaupt haben auch 29 Professorinnen und Professoren der Universität Münster bekundet, an der der heutige Pontifex einst gelehrt hatte. Auch diese Hochschullehrer machen sich „Sorgen um die Entwicklung der Kirche“.

In Walter Mixas Augsburger Bistum zeichnen sich neue Turbulenzen ab. Mixa hat im September vergangenen Jahres 30 „Marienkinder“ gefirmt. Diese sektiererische Gemeinschaft war durch Gewaltexzesse und die Charakterisierung des Papstes als „satanisch“ aufgefallen. Wie ein Sprecher des Bistums WELT ONLINE sagte, hat sich die Gruppierung „von diesen alten Dingen abgekehrt“, sie sei seit 2007 dabei, sich wieder in die katholische Kirche zu integrieren. Betreuer der „Marienkinder“ ist ein Priester, der zur Petrus-Bruderschaft gehört, die sich von den Pius-Brüdern gelöst hatte. „Das alles ist“, räumte Mixas Sprecher ein, „natürlich ein hochsensibles Thema.“

Zuletzt geändert am 05­.03.2009