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Veröffentlicht am 05­.03.2009

5.3.2009 - spiegel-online.de

Lieblos, einseitig, herabsetzend

Ein Kommentar von Peter Wensierski

Schluss mit Krise! Unter diesem Motto beendete die Katholische Bischofskonferenz ihre Frühjahrstagung. In einer Erklärung wird jegliche Papst-Kritik ausgespart. Abgestraft wird dagegen die Basis - und ihr Wunsch nach einer klaren Richtungsweisung im Umgang mit kirchlichem Fundamentalismus.

Die deutschen Bischöfe wollen endlich raus aus der wochenlangen Krise um den Holocaust-Leugner Richard Williamson und die Piusbrüder. Aber viele deutsche Katholiken sind noch immer verunsichert über ihr Kirchenoberhaupt und den Vatikan - und der Papst wiederum, hört man aus Rom, soll über die anhaltenden Diskussionen in Deutschland verärgert sein.

Was nun?

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch: "Falsch verstanden" Die Bischofskonferenz selbst zeigte sich bislang eher gespalten, die inhaltlichen Kontroversen sind auch nach langer Diskussion auf der Hamburger Frühjahrstagung längst nicht beendet, wenn es nun auch eine gemeinsame Erklärung in Sachen Piusbruderschaft gibt.

Soll man Benedikt XVI. besänftigen durch Solidaritätsbekundungen, oder soll man - gemeinsam mit breiten Teilen der Kirchenbasis - Rom kritisieren?

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen hatte auf eine gemeinsame pastorale Erklärung, einen Brief an die Gemeinden der Bischöfe gehofft, um die Verunsicherung an der Basis über die Williamson-Affäre und ihre Folgen zu beseitigen.

Umstritten war, inwieweit man in dem geplanten Brief den Vatikan kritisieren darf. Wenn man die "unverantwortlichen Pannen" im Vatikan nicht benennen könne, "dann hat so ein Brief für mich keinen Sinn", sagte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann.

Dürres Statement statt mutiger Stellungnahme

Die Gegner eines solchen Gemeindebriefes - wie die drei "M-Bischöfe" Walter Mixa, Joachim Meisner und Gerhard Ludwig Müller - befürchteten, dass ein solches Schreiben in Rom negativ und als Alleingang Deutschlands gewertet werden könne.

Herausgekommen ist nun ein dürres Statement "Zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche", in dem auf Papst-Kritik verzichtet wird und die bekannten Äußerungen der Amtskirche zur Causa Williamson wiederholt werden: Für Holocaust-Leugner gebe es keinen Platz in der Kirche, die Piusbrüder müssten sich von antisemitischen Positionen distanzieren und das 2. Vatikanische Konzil anerkennen, sonst müssen sie leider auch weiter draußen bleiben.

Und zum Papst?

"Ansehen und die Integrität des Papstes" dürfte niemand in Zweifel ziehen. Bis auf den bekannten Hinweis auf eine schlechte "interne Abstimmung" keine Antwort auf die Frage vieler Gläubiger: Warum konnte all das passieren? Auf welchem Weg will der Papst unsere Kirche weiter führen? Wohin führt seit Ratzingers Amtsantritt 2005 seine Linie rückschrittlicher Maßnahmen - es gab eine ganze Kette, von der Wiedereinführung der lateinischen Messen im alten Ritus bis zur umstrittenen Karfreitagsfürbitte - angesichts eines immensen Reformstaus in der Kirche?

Stille Duldung am rechten Rand

Und was ist eigentlich mit den anderen kruden Auffassungen der Piusbrüder jenseits der Holocaust-Leugnung von deren Bischof Williamson? Warum äußert sich dazu kein leitender Kirchenmann? Können Glaubensfundamentalisten zur katholischen Kirche gehören, die Homosexuelle als Kranke bezeichnen? Oder Frauen als "Gehilfin des Mannes", die "nicht an Universitäten gehören"?

Was fehlt, ist eine wirklich intensive Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit ihrem rechten Rand - von den Piusbrüdern über das Opus Dei, die Legionäre Christi, den Petrusbrüdern, dem Engelwerk bis hin zu den Marienkindern, um nur einige Gruppen zu nennen. Und eine Auseinandersetzung mit den Entgleisungen einzelner Bischöfe, die all dem Vorschub leisten.

Warum sonst wiederholen sich die für Juden so unerträglichen Holocaust-Vergleiche eines Kardinals Meisner oder eines Bischofs Mixa immer wieder?

In Hamburg war es plötzlich nur noch wichtig, dass "die Medien" Katholikenchef Zollitsch falsch verstanden hätten, er habe seinen Kollegen Mixa in einem ARD-Interview überhaupt nicht kritisieren wollen, als er sagte, Holocaust und Abtreibung ließen sich nicht vergleichen.

Mixa selbst erklärte sogleich, er stehe zu seiner umstrittenen Rede beim CSU-Empfang an Aschermittwoch, als er in einem Atemzug den Holocaust-Zahlen die Zahl der Abtreibungen in Deutschland gegenüberstellte. Er würde die Rede noch einmal halten, meinte Mixa auf Nachfrage.

So sind Bischöfe wie der Augsburger Mixa längst zur Galionsfigur rechter und fundamentalistischer Gläubiger geworden, die immer wieder gern eins drauf setzen: Mixa will in seinem Bistum mit den Marienkindern eine weitere extreme Gruppierung zur Bereicherung der katholischen Kirche aufnehmen - ohne öffentlich erkennbare Auseinandersetzung mit deren teils reaktionären, teils abenteuerlichen Auffassungen. Die sektiererische Marienkinder-Gemeinschaft war bis vor kurzem durch Gewaltexzesse und die Charakterisierung selbst des Papstes als "satanisch" aufgefallen.

So viel bemühtes Umwerben, wie es Mixas Augsburger Bistum den Marienkindern angedeihen lässt, erleben die liberalen Kräfte in der katholischen Kirche nicht.

Die Reformgruppe "Wir sind Kirche" übergab der Bischofskonferenz eine Petition mit 36.000 Unterschriften für die volle Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Darin ist besorgt von einer vatikanischen "Rückwärtswendung" die Rede; durch sie werde zugelassen, "dass Teile der römisch-katholischen Kirche offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des II. Vatikanischen Konzils ablehnen dürfen".

Professoren, Priester und Laien, auch Politiker wie der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), sehen Glaubwürdigkeit und Einheit der katholischen Kirche in Frage gestellt.


Anders als gegenüber Papst und Vatikan hatte die Bischofskonferenz in ihrer Erklärung für solche Initiativen nur kritische bis ablehnende Worte übrig: "Im Innenraum der Kirche", heißt es unterschwellig drohend, "gab es Stimmen und Aktivitäten, die lieblos, extrem einseitig oder gar herabsetzend waren und der Einheit geschadet haben. Wir beklagen diesen Stil des Umgangs miteinander. Vor allem weisen wir jeden Versuch zurück, das Ansehen und die Integrität des Papstes in Zweifel zu ziehen, die katholische Kirchenverfassung zu negieren und spalterisch zu wirken."

Na denn. 36.000 an der Zukunft der katholischen Kirche interessierte Unterzeichner als Kirchenspalter zu denunzieren, ist in diesen Tagen gewagt. Denn anders als aufs Holocaust-Leugnen setzt es für derart schismatische Bestrebungen bekanntlich die Strafe der Exkommunikation.

Die Frage bleibt also: Wen wollen die Bischöfe eigentlich in ihrer Kirche haben und wen vertreiben?

Zuletzt geändert am 05­.03.2009