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Veröffentlicht am 05­.03.2009

5.3.2009 - sueddeutsche.de

Deutsche Bischofskonferenz: Kleine Fahrt voraus

Gegen Antisemitismus, für das Konzil: Die deutschen Bischöfe reagieren mit einer mutlosen Erklärung auf die Piusbrüder-Krise. Das kommt denen entgegen, denen die Aufregung um Williamson zu groß ist.

Von M. Drobinski Vielleicht lag es ja an der Hafenrundfahrt. Um kurz nach 19 Uhr bestiegen 68 Bischöfe und Weihbischöfe das Schiff Hammonia, der Wind war steif, aber nicht stürmisch, der Wellengang gemäßigt. Ein weißbärtiger Mann im Ringelhemd, der in Wirklichkeit aus Italien stammt, spielte Akkordeon; die geistlichen Herren sollen später mit einiger Inbrunst "La Paloma" und "My Bonnie is over the Ocean" gesungen haben, eine fröhliche Runde auf kleiner Fahrt.

Wer will da noch von Differenzen in der Frage reden, wie mit den Piusbrüdern und der Entscheidung des Papstes umzugehen ist, die Exkommunikation für vier Traditionalisten-Bischöfe aufzuheben? Zumal für eine Bischofskonferenz die Einheit mehr bedeutet als für eine politische Partei: Ein Bischof hat eine Lebensentscheidung für seine Kirche getroffen, er hat ihr und dem Papst Treue gelobt und versprochen, dass er die Gläubigen zusammenhalten will. Das erzeugt manchmal ein Pathos der Einheitlichkeit, wo es angebracht wäre, von unterschiedlichen Meinungen zu reden. Und dann kommt noch eine Rundfahrt, wo die Bischöfe für zwei Stunden nicht Theologen, Chefs, Politiker sein müssen, sondern einfach fröhliche und ein bisschen spätpubertäre Männer sind.

So trägt die Erklärung der Bischofskonferenz, einstimmig verabschiedet am Donnerstagmorgen, jene Hafenrundfahrtseinigkeit, mit der alle wenn nicht glücklich, so doch zufrieden sein können. Die Konferenz wird nicht, wie zeitweise geplant, einen Brief verschicken, der in den Sonntagsgottesdiensten verlesen werden soll; jeder Bischof kann nun selber entscheiden, wie er das Dokument bekanntgibt.

Das kommt jenen Bischöfen entgegen, die finden, dass die Aufregung um die Traditionalisten und den holocaustleugnenden Bischof Williamson zu einem guten Teil mediengemacht ist. Andererseits ist auch die gemeinsame Erklärung "zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche" ein ungewöhnlicher Schritt: Zuletzt gab es das in der dramatischen Auseinandersetzung um die Schwangeren-Konfliktberatung.

Die Erklärung selbst birgt wenig Überraschungen: Die Bischöfe distanzieren sich klar von der Priesterbruderschaft Pius X.: Diese müssten anerkennen, dass die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils "unaufgebbar zur katholischen Tradition" gehörten, "nicht zuletzt die Texte über die Religionsfreiheit und die Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen, über den Ökumenismus und über die Kirche in der Welt von heute sowie die Aussagen über die Kollegialität der Bischöfe".

Die Piusbrüder müssen sich bewegen, vorher gibt es keine Gespräche, lautet die Botschaft - und sollten sie wieder, wie angekündigt, Priester weihen, müsse der Vatikan klären, welche Folgen dies hätte. Die erneute Exkommunikation, hatte Zollitsch am Montag noch angekündigt, doch diese Formulierung findet sich hier nicht. "Besonders bedrückend" seien "die Holocaust-Leugnung eines Bischofs" und "entsprechende antisemitische Strömungen in der Piusbruderschaft"; hier hätten Papst Benedikt XVI. und die Bischöfe "unmissverständlich zur Geltung gebracht, dass die katholische Kirche den Antijudaismus und Antisemitismus verwirft".

Kritik an dem Chaos im Vatikan rund um die Aufhebung der Exkommunikation gibt es nur in kleiner Dosis: Die Verantwortlichen der Kurie sollten "rasch Verbesserungen im Bereich der internen Abstimmung und der Kommunikation mit den Bischofskonferenzen herbeiführen", heißt es, und auch, dass die Bischöfe bedauern, dass unter vielen Gläubigen "Unsicherheit über den Weg der Kirche aufgekommen ist". Sehr mutig ist das nicht; am gleichen Tag werden die Schweizer Bischöfe deutlicher: "Offensichtlich war die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe zu wenig sorgfältig vorbereitet", heißt es bei den Schweizern, "und es gab auch schwerwiegende Mängel bei der Information der Bischöfe, der Gläubigen und der Öffentlichkeit durch die vatikanische Kurie." Man bedaure diese "Fehler".

Dafür bleibt, zur Zufriedenheit der Liberalen, die Kritik an der von der Kirchenvolksbewegung unterstützten "Petition" gegen die Aufwertung der Piusbrüder indirekt: Es habe Aktivitäten gegeben, "die lieblos, extrem einseitig oder gar herabsetzend waren", heißt es. Da kann sich jeder nicht gemeint fühlen.

Letztlich zeichnet das, was Erzbischof Robert Zollitsch, der Bischofskonferenzvorsitzende, zum Abschluss der Frühjahrsversammlung präsentiert, ein realistisches Bild der Bischofskonferenz, wo der konservative Flügel erstarkt ist. Möglich ist dort im Augenblick nicht mehr als der dilatorische Kompromiss - man einigt sich auf das, worauf man sich einigen kann, und klammert die unlösbaren Teile aus: Die Frage, ob hinter den Pannen im Vatikan nicht doch ein Systemfehler steckt?

Ob man nicht neu über das Verhältnis von Tradition und Erneuerung in der katholischen Kirche nachdenken müsste? Warum die päpstliche Milde regelmäßig den Gruppen am traditionalistischen Rand der Kirche gilt und nicht Menschen, die in konfessionsverbindenden Ehen leben, Geschiedenen, die wieder geheiratet haben, Katholiken, die ein Lebenspartnerschaftsgesetz für Homosexuelle befürworten oder die staatliche Regelung der Abtreibung?

Es sei gut, dass nun wieder übers Konzil geredet wird, sagt Erzbischof Zollitsch, der sich in den dramatischen Hamburger Tagen als ein mit unverwüstlichem Gleichmut gesegneter Vermittler erwiesen hat. Das Konzil, das ihn geprägt hat, an dessen Ende er sich entschied, Priester zu werden, das er ein "Geschenk" nennt, weil es die Laien in der Kirche aufgewertet hat. Und von dem er merke, dass es die jungen Priester gar nicht mehr kennen würden. Das könnten nun die Piusbrüder ändern.

Zuletzt geändert am 05­.03.2009