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Veröffentlicht am 06­.03.2009

5.3.2009 - Nürnberger Nachrichten

Kommentar: Riss in der katholischen Kirche

Vages Bischofs-Wort dürfte den Graben eher vertiefen

Eigentlich hätte die katholische Kirche Wichtigeres zu tun als wochenlang heftigst über eine hartnäckig sektiererische Gruppierung zu streiten. Auf der Bischofskonferenz zum Beispiel (Seite 4) wurde wegen dieses Konflikts ein Thema unter «ferner liefen« behandelt, zu dem Christen durchaus etwas beizusteuern hätten: die Finanzkrise und die Konsequenzen, die aus dem Zusammenbruch des Casino-Kapitalismus zu ziehen sind.

Die katholische Soziallehre hat eine ausschließlich auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz, allein auf Profitmaximierung fixierte Ökonomie stets vehement abgelehnt und als das bezeichnet, was sie ist: als unmenschliches, unbarmherziges System, das Schwache ausgrenzt und die Kluft zwischen Arm und Reich fördert. Der Münchner Erzbischof Marx knüpft nicht nur in seinem aktuellen Buch mit dem beziehungsreichen Titel «Das Kapital« an diese kämpferische Tradition der katholischen Kirche an, zu der Johannes Paul II. weit mehr beizutragen hatte als sein Nachfolger: Der Papst aus Polen handelte deutlich politischer als Benedikt XVI., meldete sich immer dannn weitaus klarer zu Wort, wenn es um Missstände in dieser Welt ging.

Nicht von dieser Welt?

In dieser Welt: Das erscheint zusehends als ein ganz zentraler Begriff, wenn es um die Einordnung des Bebens geht, das den Vatikan seit Wochen erschüttert. Denn es mehrten sich die Anzeichen dafür, dass weite Teile der Kurie fernab von dieser Welt leben. Teils, weil sie mit der Realität zwangsläufig wenig zu tun haben im abgeschotteten Kirchenstaat. Teils aber auch, weil sie es ganz bewusst so wollen, sich fernhalten von den ganz konkreten Problemen der profanen Welt und sich intensiver um theologische Spitzfindigkeiten kümmern.

War die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe jener ultrakonservativen, intoleranten, ja fundamentalistischen Piusbruderschaft ein so dringliches Zeichen, dass es selbst dann gesetzt werden musste, als (schon zuvor bekannte) Berichte über die Holocaust-Leugnung des Bischofs Williamson für Wirbel sorgten? Warum provoziert ein Bischof wie Walter Mixa wieder und wieder mit Sprüchen, um deren Sprengkraft er ganz genau weiß? Dass jüdische Gemeinden nicht nur in Deutschland irritiert sind über solche bewussten Doppeldeutigkeiten und am Sinn einer «Woche der Brüderlichkeit« zweifeln, das ist gut nachvollziehbar.

Verständlich auch, wenn Zigtausende von besorgten Katholiken Fragen haben an ihre Kirchenleitung. Fragen nach dem Kurs, nach der Richtung: Warum breitet der Vatikan die Arme ausgerechnet für jene aus, die heftig am Fundament einer weltoffenen Kirche rütteln, indem sie die Ergebnisse des Zweiten Vatikanums ganz offen bekämpfen? Warum gibt es keinerlei solche Signale für Befreiungstheologen, für liberale Reform-Befürworter?

Die Basis abgekanzelt

Die deutschen Bischöfe haben nun mit einem reichlich verwaschenen Papier auf den ohne Not vom Vatikan losgetretenen Konflikt um die Pius-Brüder reagiert: Zwar sei deren Rückkehr in die katholische Kirche unwahrscheinlich - doch konkrete Forderungen nach einem klaren Trennungsstrich fehlen. Ihre Erklärung klingt so, als seien vor allem Kommunikationspannen im Vatikan und die Medien verantwortlich für jene Erschütterungen, die weltweit Zweifel am Kurs des Papstes auslösten. Und heftig kanzeln die Bischöfe die Laien-Bewegung «Wir sind Kirche« ab, deren Kritik sie als «spalterisch« rügen. Fragt sich nur, wer da spaltet.


Das Papier zeigt die Lager: Vor allem im Süden sitzen Konservative, die ohne Wenn und Aber den Papst stützen. Sie schwächten offenbar die zuvor deutlichere Kritik der Liberaleren ab - an der Spitze der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Da zeigt sich ein tiefer Riss zwischen weiten Teilen des Klerus und immer mehr Gläubigen, der durch solche Kompromiss-Papiere eher größer werden dürfte.

Alexander Jungkunz

Zuletzt geändert am 07­.03.2009