15.5.2009 - Die Welt
In der katholischen Kirche murrt die Basis
Bonn - Gleich drei Superlative kann der neue Trierer Bischof Stephan Ackermann (46) für sich reklamieren: Er rückt an die Spitze des ältesten katholischen Bistums auf deutschem Boden; er ist der jüngste der 27 Diözesanbischöfe; und so schnell wie er, nämlich binnen drei Jahren, ist selten ein Weihbischof zum Ordinarius aufgestiegen.
Der stets gut gelaunte "Eifeler Jung" aus Mayen tritt in die Fußstapfen des Westfalen Reinhard Marx (55), der seit Februar 2008 als Erzbischof von München und Freising amtiert. Ihm verdankt Ackermann auch den Karriereschub. Sein Förderer hat ihm allerdings kein leichtes Erbe hinterlassen: Ackermann muss die von Marx eingeleitete Strukturreform in dem ländlich geprägten Bistum fortführen, die Zahl der Pfarreien und Pfarreigemeinschaften soll von 389 auf 171 verringert werden. Das geht nicht ohne Murren an der Basis ab. Marx hat viel Gegenwind zu spüren bekommen, seinem Nachfolger wird es nicht anders ergehen.
Trier ist kein Einzelfall. Aachen, Essen und Berlin haben ihre radikalen Reformpläne schon unter Dach und Fach, doch die "Neustrukturierung der Seelsorge", begründet mit einem Sparzwang, sinkenden Mitgliederzahlen und einem Mangel an Priestern, ist überall in den 27 deutschen Bistümern das große Reizthema. Im Ruhrbistum Essen entstehen pastorale Räume mit jeweils bis zu 40 000 Katholiken, zahlenmäßig größer als die Diözese Görlitz. In der Münchener Erzdiözese sollen aus 750 Pfarreien 280 Seelsorgeeinheiten werden, mit bis zu 14 000 Gläubigen.
Die Strukturpläne orientieren sich an der Zahl der verfügbaren Diözesanpriester. Und die ist auch 2im vergangenen Jahr weiter gesunken, um 203 auf 13 230. Im Jahr 2008 starben 284 Geistliche, 340 traten in den Ruhestand, 17 gaben ihren Dienst auf. Aber nur 92 Priester kamen neu hinzu, damit hatten die 27 deutschen Bistümer erstmals weniger als 100 Neupriester. "Das jetzt von manchen Bischöfen gebrauchte Argument, es gäbe nicht nur einen Priestermangel, sondern vor allem einen Gläubigenmangel, greift zu kurz", erklärt die amtskirchenkritische Kirchenvolksbewegung: "Laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz ist die Zahl der eingetragenen Kirchenmitglieder zwischen 1990 und 2006 um 9,1 Prozent zurückgegangen, die Zahl der Welt- und Ordenspriester dagegen um mehr als das Dreifache." Selbst wenn die Gemeinde- und Pastoralreferenten, deren Zahl leicht gestiegen ist (um 61 auf 7524), hinzugezählt würden, sei der Rückgang der "seelsorgenden Personen" immer noch mehr als doppelt so stark wie die der Kirchenmitglieder.
Alarmierende Ergebnisse. Das Ideal einer gemeindenahen Pastoral gerät ins Wanken. Die Seelsorge in den künftigen Mega-Pfarreien wird unpersönlicher werden.
Zwar sagt der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Joachim Wanke (Erfurt): "Die katholische Kirche in Deutschland wird eine Kirche der Ehrenamtlichen sein, oder sie wird nicht mehr sein." Doch welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Jedenfalls keine, die theologisch qualifizierte Laien in eine stärkere Verantwortung für die Gemeinden bringen. An der "sakramentalen Struktur" der Kirche, das heißt an der Fixierung auf das Weiheamt, möchte der Episkopat nicht rütteln. Erzbischof Marx erteilt deshalb auch dem Modell der Pfarrbeauftragten durch Laientheologen eine Absage. Er setzt vielmehr seine Hoffnung auf "Seelsorgeteams", die differenzierte Angebote machen. Dass viele Katholiken befürchten, durch die anvisierten Reformen ein Stück Heimat zu verlieren, kann Marx verstehen: "Aber es muss etwas geschehen." Eine geistliche Neuorientierung sei nötig. Vieles könne im Pfarrverband besser gelöst werden: Jugendgottesdienste, Erwachsenenkatechese, Angebote für Jugendliche nach der Firmung. Ob solche "Knotenpunkte der Pastoral" oder "Leuchttürme" tatsächlich die Probleme der Kirche lösen, muss noch bewiesen werden. Ein Freundeskreis Münchner Priester hat sich schon vor einem Jahr skeptisch geäußert. Er sprach von der Gefahr einer "vielleicht nur etwas zweckmäßiger organisierten Mängelverwaltung".
Vor fast 40 Jahren brachte ein Regensburger Theologieprofessor Gedanken über die Kirche der Zukunft zu Papier, die sich gravierend von dem unterscheiden, was heute als Neuorientierung propagiert wird. "Die Kirche der Zukunft", schrieb er, "wird neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen." Der Autor dieser Überlegungen ist der Vorvorgänger von Reinhard Marx als Münchener Erzbischof, der heutige Papst Benedikt XVI. Er hat längst eine Kehrtwende vollzogen.
In Österreich hat eine Pfarrer-Inititiative Ende 2008 bei der vatikanischen Glaubenskongregation im Sinne der Gedanken des "frühen" Joseph Ratzinger vorgesprochen, um auf die Probleme der Seelsorge aufmerksam zu machen - mit stiller Unterstützung österreichischer Oberhirten. Aus Deutschland hat es vergleichbare Vorstöße beim "deutschen Papst" bislang nicht gegeben.
Zuletzt geändert am 15.05.2009