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Veröffentlicht am 12­.06.2009

12.6.2009 - Publik-Forum

»Kein effektiver Rechtsschutz«

Ein solches Urteil verhindert ein autonomes Mitdenken und Mitwirken von Laien im auch in der Kirche notwendigen Erkennen der Zeichen der Zeit und dem Handeln nach ihnen. Will die römisch-katholische Kirche auch den Menschen von heute etwas zu sagen haben, genügt es nicht, den Zeitgeist zu beklagen. Das Urteil bedeutet, dass auch berechtigte Kritik an Entscheidungen von kirchlichen Amtsträgern zu einer Ausgrenzung derjenigen führen kann, die die Botschaft überbringen, um Gläubige, die gleich denken und fühlen sollten, mundtot zu machen. Hoffen kann man allerdings nach wie vor auf Bischöfe, die sich solcher Mittel nicht bedienen.

Der Umstand, dass öffentliche Proteste den Amtsträger, gegen dessen Entscheidung die umstrittene Kritik vorgebracht wurde, »in Misskredit brachten und mehr noch ein schwerwiegendes Indiz unklugen Handelns in kirchlichen Dingen darstellen«, macht den »heftigen« Opponenten gegen die eingeführten Neuerungen auf dem Gebiet der kirchlichen Gremien nach dem Urteil »unfähig für eine Mitgliedschaft in kirchlichen Räten«. Was am Handeln des Opponenten unklug war, wird mit keinem Wort gesagt. Dass die Beschwerde gegen die Entscheidung des Bischofs erfolglos war und deren kirchenrechtliche Rechtmäßigkeit festgestellt wurde, wie eingangs im Urteil angeführt wird, kann für sich allein nicht bereits den Vorwurf der Unklugheit begründen, denn damit würde das Recht, Beschwerde zu führen, weitgehend verunmöglicht. Dass es zu öffentlichen Protesten kam, darf allein auch nicht genügen, denn das würde bedeuten, je mehr die Kritik an der kirchlichen Entscheidung in der Öffentlichkeit geteilt wird, desto unkluger ist das Handeln eines Kritikers; und wohin das führt, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Dass auch bloß ein Indiz unklugen Handelns ausreicht, ist schließlich unhaltbar.

Von einem Urteil mit Präjudizcharakter kann nicht gesprochen werden. Dafür hätte die Beschwerde zugelassen und es hätte näher geprüft und begründet werden müssen, wann eine Überschreitung des Rechts, den Hirten die eigene Meinung kundzutun, in dem, was das Wohl der Kirche angeht (Canon 212, Paragraf 3 CIC), vorliegt und wann nicht. Weil das nicht der Fall ist, können Mitglieder von Räten nicht wissen, was eine erlaubte und was eine unerlaubte Meinungsäußerung ist. Sie werden nicht nur verunsichert, vielmehr eingeschüchtert sein, weil sie auch nicht auf einen effektiven Rechtsschutz in der Kirche hoffen können.

Giusep Nay

Der Autor, geboren 1942 in Trun, Graubünden, war von 2004 bis 2006 Bundesgerichtspräsident der Schweiz. 2009 wurde der Menschenrechtler und Staatskirchenrechtler mit dem »Haag-Preis für Freiheit in der Kirche« geehrt.

Zuletzt geändert am 15­.06.2009