12.6.2009 - Publik-Forum
Die Reformer am Scheideweg
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bekommt durch das Urteil Recht. Der Kirchenmachthaber, dem Wallner soziale Kompetenz abspricht, findet – wen wundert dies? – römischerseits volle Unterstützung für seinen Kurs, die Laienräte an die kurze Leine zu nehmen und unbotmäßige Pfarrgemeinde- oder Diözesanräte aus ihrem Wahlamt zu mobben.
Das Urteil, dessen Veröffentlichung am 5. Mai vom Sekretär der Apostolischen Signatur verfügt wurde, ist auf Lateinisch abgefasst. Die Übersetzung setzte Bischof Müller triumphierend auf die Webseite seines Bistums. »Die unterzeichneten Richter, die nur Gott vor Augen haben«, sind der Kardinal von Budapest, Péter Erdö – ein Opus-Dei- Mann; Kardinal Carlo Caffarra, vatikanintern ein Scharfmacher besonders in Frauen-, Familien- und Verhütungsfragen, sowie drei weitere bischöfliche Vatikanjuristen. Auch der schwäbische Kurienkardinal Walter Kasper ist Mitglied der Apostolischen Signatur, also des »Bundesgerichtshofs« im Vatikan.
In eine Notlage, ja möglicherweise in eine Zerreißprobe gerät nun die Bewegung Wir sind Kirche. Denn das vatikanische Urteil gibt fortan jedem Bischof die Möglichkeit, gewählte Pfarrgemeinde- oder Diözesanratsmitglieder, die Wir sind Kirche nahestehen oder gar Mitglieder der Reformbewegung sind, hinauszuwerfen. Weil die fünf Forderungen der Bewegung Wir sind Kirche – laut Urteil – »zum Teil der kirchlichen Lehre« widersprächen.
Was tun? Die inkriminierten Forderungen nach Frauenpriesterweihe und Demokratisierung preisgeben und in den Räten realitätsbezogen weiterarbeiten – oder aber den offenen, prophetischen Protest wagen?
Thomas Seiterich
Zuletzt geändert am 15.06.2009