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Veröffentlicht am 16­.11.2007

16.11.2007 - WDR.de

Meisner will weniger Mitbestimmung

Streit um Strukturreform des Erzbistums Köln

Meisner will weniger Mitbestimmung

Von Dominik Reinle und Gregor Taxacher

An der Basis brodelt es: Katholische Laien kritisieren die geplante Strukturreform des Erzbistums Köln. Manche Gläubige sehen darin einen Schlag von Kardinal Joachim Meisner gegen die kirchliche Mitbestimmung.

Guter Rat scheint derzeit wichtig im größten Bistum Nordrhein-Westfalens. Innerhalb von zehn Tagen kamen drei Gremien (siehe "Stichwörter") zusammen: der Priesterrat, der Diözesanrat und am Freitag (16.11.07) der Diözesanpastoralrat. Ihr wichtigstes Thema: Die Strukturreform bei den Gemeinden. Die im März angekündigte Neuordnung steht unter dem Motto: "Wandel gestalten - Glauben entfalten - Perspektive 2020". Das Kölner Erzbistum leidet unter akutem Priestermangel. Immer mehr der 709 Pfarreien sind ohne Pfarrer. "Wir haben inzwischen schmerzhaft gelernt, dass wir keine Volkskirche mehr sind", so Kardinal Meisner. Deshalb möchte er die so genannten Seelsorgebereiche von zurzeit 221 auf 180 reduzieren. Diese neuen Bereiche sollen ab 2009 nur noch mit jeweils einem Pfarrer besetzt werden. Nach den Plänen Meisners haben die Gemeinden nun die Wahl, entweder zu fusionieren oder so genannte Pfarreien-Gemeinschaften zu bilden. Beide Modelle haben eine Konsequenz: In jedem Seelsorgebereich soll es nur noch einen Pfarrgemeinderat und einen Kirchenvorstand geben. Formal bleiben bei Pfarreien-Gemeinschaften die örtlichen Kirchenvorstände zwar weiterhin bestehen, sie verfügen aber nur noch über reduzierte Aufgabenbereiche.

6.000 Laien verlieren ihr Amt

Genau das kritisieren viele engagierte Katholiken. Denn in den beiden Gremien können die Laien vor Ort mitreden: im Pfarrgemeinderat über die Ziele und Aktivitäten der Gemeinde, im Kirchenvorstand über deren Geld und Verwaltung. Bislang gibt es noch in fast jeder Gemeinde solche Vertretungen der Gläubigen. Allein in den 600 Pfarrgemeinderäten im Kölner Erzbistum sind etwa 20.000 Katholiken ehrenamtlich aktiv, die meisten von ihnen durch eine Wahl legitimiert. Meisners Reformvorschlag reduziert diese Räte um mehr als zwei Drittel. Zwar wären die zusammengelegten Räte zum Teil größer als die bestehenden, aber etwa 6.000 Mitglieder würden nicht mehr gebraucht und ihr Amt verlieren.

Kardinal Meisner und sein Generalvikar Dominik Schwaderlapp begründen den radikalen Schnitt mit der Konzentration auf die Seelsorge: Die wenigen verbleibenden Pfarrer dürften ihre Zeit nicht in einer Vielzahl von Gremien-Sitzungen verbringen, sondern müssten für die Menschen da sein. Und die Ehrenamtlichen, für die es keinen Platz mehr in der verschlankten Struktur gibt, könnten sich "auch außerhalb dieser Gremienstruktur segensreich und verantwortlich einbringen und engagieren", so Meisner.

"Priesterzentriertes Bild von Kirche"

Mitarbeit erwünscht - Mitbestimmung nicht: Das ist für Kritiker der Strukturreform die heimliche Linie hinter den Veränderungen. Die Reform zeige ein "priesterzentriertes Bild von Kirche", sagt etwa Joachim Sikora, Vorsitzender des Kreiskatholikenrates Rhein-Sieg: Alles werde um die sinkende Zahl der Priester organisiert. "Das wird katastrophale Folgen haben: Die Kirche anonymisiert sich immer mehr. Sie wird ein Großflächenbetrieb." Der Kardinal wolle die Laien zwar als Helfer, möglichst spontan und flexibel, wie etwa beim Weltjugendtag. Aber solches Engagement von der Basis wachse auf Dauer nur aus verlässlichen Strukturen, sagt Sikora. "Wenn es weniger Priester gibt, muss das basisdemokratische Element gestärkt und nicht abgebaut werden." Letztlich dreht sich der Streit um ein unterschiedliches Rollenverständnis: "Die Mitwirkung der Laien ist doch kein Gnadenakt", sagt Sikora: "Sie kommt aus einer Mitverantwortung, die jeder getaufte Christ besitzt."

Misstrauensvotum gegen Laien-Vorsitzenden Kritik übt die Basis auch an der Arbeit des Diözesanrates, der Laienvertretung auf Bistumsebene. Die Leitung sei zu untätig und nachgiebig gegenüber dem Kardinal, sagen manche Gemeindevertreter. Der Diözesanratsvorsitzende Thomas Nickel hatte schon im Juli 2007 gemeinsam mit Generalvikar Schwaderlapp einen Brief an alle Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte geschickt. Tenor: Meisners Strukturreformen seien schmerzhaft, aber notwendig. Der Schulterschluss zwischen Bistumsleitung und Laienvertretung ärgerte viele in den Gemeinden. Vor einer außerordentlichen Vollversammlung des Rates am letzten Freitag (09.11.07) bereiteten Vertreter aus Bornheim (Rhein-Sieg Kreis) ein Misstrauensvotum gegen Nickel und seinen Vorstand vor. "Es gibt verständlichen Unmut über die anstehenden Veränderungen", sagt Nickel: "Aber der Antrag wurde auf der Sitzung zurückgezogen".

Basis fordert "Ortskirchenräte"

Statt dessen setzten die Delegierten durch, dass ein Vorschlag aus Sikoras Kreiskatholikenrat in den Leitantrag des Diözesanvorstandes aufgenommen wurde: Auch nach der Zusammenlegung sollen die bisherigen Pfarrgemeinden eigene Laiengremien, so genannte Ortskirchenräte wählen können. Diese Räte sollen gewissermaßen dafür sorgen, dass die Kirche im Dorf oder im Viertel bleibt und die Gläubigen auch hier verbindlich mitreden können. "Es geht darum, dass Laien vor Ort ein Mandat haben", sagt Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses von Köln. "Das ist mehr, als nur helfend mitzutun."

Außerdem beharrte der Diözesanrat erfolgreich auf dem Herbst 2009 als nächstem Wahltermin der Pfarrgemeinderäte. Generalvikar Schwaderlapp signalisierte bei der Vollversammlung sein Entgegenkommen. Die Bistumsleitung hatte die Wahl zunächst auf das Frühjahr vorziehen und damit die Reform noch beschleunigen wollen.

Im nächsten Schritt wird es nun weitere Beratungen zwischen Diözesanrat und der Kirchenleitung über die Strukturreform geben. Die Entscheidungen trifft aber letztlich Kardinal Meisner allein. Er hatte die Diskussion am letzten Freitag zwei Stunden lang aufmerksam verfolgt, wie Teilnehmer berichteten.

Aachen: Es geht auch anders

Priestermangel und schwindender Kirchenbesuch sind nicht auf Köln begrenzt. In den Nachbarbistümern geht man mit dem Problem jedoch anders um. Im Bistum Aachen etwa sind die noch 540 Pfarreien in 72 "GvGs" ("Gemeinschaften von Gemeinden") zusammengefasst, denen jeweils nur noch zwei Priester garantiert werden. Dennoch haben die Laiengremien bei der Gestaltung ihrer Zusammenarbeit freie Hand. Sie können fusionieren, sie sollen kooperieren, aber Tempo und Art der Entwicklung bestimmt die Basis selbst. "Klar gibt das auch Probleme und mancher Pfarrer wünscht sich einfachere Strukturen", sagt Franz Michels, Geschäftsführer des Aachener Diözesanrates: Aber schließlich müsse der Pfarrer nicht bei jeder Sitzung anwesend sein, er könne sich auch vertreten lassen.

"Wir haben Einvernehmen mit unserem Bischof Heinrich Mussinghoff, dass die Gestaltung der Laienvertretung an der Basis nicht von oben verordnet werden soll", sagt Michels. Mehr von dieser Einstellung wünscht sich Hannelore Bartscherer auch für Köln: "Die Räte an der Basis haben viel Erfahrung und fragen sich, warum sie in den Reformprozess nicht aktiver einbezogen werden. Man muss die Ehrenamtlichen in Entscheidungen einbinden, dann ist auch die Akzeptanz für Veränderungen höher."

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Obwohl die Katholische Kirche nicht demokratisch verfasst ist, sondern Papst und Bischöfe jeweils das letzte Wort haben, gibt es insbesondere in den deutschen Bistümern eine Struktur der Basis-Beteiligung:

Im Priesterrat haben Abgeordnete der Priester Sitz und Stimme. Im Diözesanpastoralrat treffen sich die Berater des Bischofs mit Vertretern der Priester, der Laien und der übrigen kirchlichen Angestellten. Beide Gremien beraten den Bischof in Fragen der Seelsorge und geben Voten zu grundlegenden Entscheidungen ab, die im Bistum anstehen.

Der Diözesanrat ist die Laienvertretung im Bistum: Neben gewählten Mitgliedern aus den Gemeinde- und Regionalräten sind hier auch Abgeordnete der großen katholischen Verbände vertreten. Der Diözesanrat führt soziale Projekte und Fortbildungen für Ehrenamtliche in eigener Regie durch. Als "Stimme der Katholiken" nimmt er auch zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung. Außerdem vertritt er die Interessen der Laien gegenüber der Bistumsleitung.

Zuletzt geändert am 19­.06.2009