12.6.2009 - KATHPRESS
Kirchenrechtler legt "Wir sind Kirche" Nachdenkprozess nahe
12.06.09(KAP-ID) Zu "Klugheit" im Umgang mit der Entscheidung des vatikanischen Oberstgerichts über eine Beschwerde des früheren Regensburger Diözesanratsvorsitzenden Fritz Wallner rät der Münsteraner Kirchenrechtler em. Prof. Klaus Lüdicke der Bewegung "Wir sind Kirche". Die Apostolische Signatur hat Bischöfendas Recht zugesprochen, Mitstreiter der "Wir sind Kirche"-Bewegungaus kirchlichen Gremien auszuschließen.
In einem Interview mit der deutschen Zeitschrift "PublikForum" (Ausgabe vom 12.6.) sagte Lüdicke auf die Frage, ob das Urteil mit dem "Geist des Konzils" und dessen Lehre von der Kirche als Volk Gottes vereinbar sei: "Man kann das Zweite Vatikanische Konzil nicht dafür in Anspruch nehmen, Forderungen in der Kirche zu erheben, die sich gegen lehramtlich definierte Positionen wenden. Bei allem Respekt für die Kirchenvolksbewegung: Die Forderungen nach Frauenpriesterweihe oder nach mehr Demokratie bei der Bischofsbestellung stehen gegen lehramtliche Positionen, die das Konzil nicht infrage gestellt hat - soweit diese Themen überhaupt zur Debatte standen."
"Der Mix machterfolglos"
"Wir sind Kirche" sollte nach Ansicht des Kirchenrechtlers versuchen, "realistisch zu sein und zu schauen: Mit welchen Fragen und mit welcher Kritik am System der Kirche und ihrem Denken kann man voraussichtlich Erfolg haben?" Die Vermischung von unterschiedlichen Anliegen, wie sie "Wir sind Kirche" vornehme, koste einen hohen Preis: "Der Mix macht erfolglos. Im Klartext: Wenn ich die Priesterweihe für Frauen fordere, bekomme ich in der Kirchenleitung keine Gesprächspartner für die Lösung des Problems der wiederverheirateten Geschiedenen."
Lüdicke betonte, dass der römische Richterspruch rein formal betrachtet lediglich die Bestätigung einer früheren Entscheidung - die Nichtzulassung einer Klage Wallners gegen ein Dekret derKleruskongregation - darstelle. Wallner hatte bei der Kleruskongregation Beschwerde gegen die Entscheidung des Bischofs von Regensburg erhoben, ihm das passive Wahlrecht für den Pfarrgemeinderat seiner Heimatpfarre zu entziehen." Am Ende des kirchlichen Instanzenweges, den Wallner über Jahre beschritten hat, steht nun die Entscheidung, dass Wallners Klage ohne jeden Rechtsgrund sei. Mit anderen Worten: Der Bischof von Regensburg hat kein Gesetzverletzt; er ist frei, so zu entscheiden, wie er entschieden hat. Das ist die formale Bedeutung dieses Urteilsspruchs", so der Kirchenrechtler.
Einzelfall-Urteil - mitFolgen?
Es handle sich also um keine generelle Stellungnahme zu Räten oder zu Personen, sondern eine Entscheidung im Einzelfall. Aus der Begründung der Entscheidung könne man aber manches ablesen und lernen. "Wir sind Kirche" sei in besonderem Maße betroffen, als nun jeder Bischof einem Gläubigen, die mit der Kirchenreformbewegung solidarisch ist, "die notwendige Klugheit und Gefolgschaft gegenüber der Kirche, die als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in Räten im Kirchenrecht gefordert wird", bestreiten könne.
Kanon 212, Paragraf 3 des Kirchenrechts verfüge, dass nur "Gläubige, die sich durch gute Sitten, festen Glaubenund Klugheit auszeichnen", in einen Pastoralrat entsandt werden dürfen. Der Entscheid der "Apostolischen Signatur" sage ausdrücklich, dass es sich nicht um Klugheit handle bei dem, wie sich Wallner gegenüber seinem Bischof verhalten hat. Theoretisch könnte Wallner noch an den Papst appellieren, das sei immer möglich. Aber der Papst mache "nichts anderes, als die Sache an die Apostolische Signatur zu geben. Und die hat bereits entschieden. Dieser Rechtsstreit ist zu Ende", stellte Lüdicke fest.
Ob dieses Einzelfall-Urteil bei anderen Bischöfen Schule mache, bleibe abzuwarten: "Der Sache nach wird die Möglichkeit der Bischöfe bestätigt, ohne sich rechtfertigen zu müssen, in Zukunft Leuten das passive Wahlrecht zu bestreiten, die sich ähnlich verhalten, wie im vorliegenden Urteil angesprochen. Ob sie davon Gebrauch machen, ob sie das für kirchenpolitisch sinnvoll halten, ob sie sich damit eine Entlastung innerhalb ihres Bistums erhoffen oder ob sie damit neue Spannungen schaffen, dies sind Fragen, die jeder Bischof für sich entscheiden muss. Man muss also abwarten, wie die einzelnen Bischöfe darauf reagieren werden. Ein Zwang, irgendwelche Konsequenzen in diese Richtung zu ziehen, besteht für sie sicherlich nicht.
Der Kirchenrechtler weist ausdrücklich darauf hin, dass bisher keine Rechtsstreitigkeiten dieser Art bis an die Apostolische Signatur getragen worden waren und es daher auch keine Entscheidungen dieser Art bisher gab. Das Vorgehen Wallner sei aus seiner Sicht nicht besonders klug gewesen. Ohne dessen Klage gäbe es das letztinstanzliche Urteil nicht und es könnte sich auch niemand darauf berufen, so Lüdicke: "Dies lehrt, dass man die Erfolgsaussichten bestimmter Aktionen vorher sorgfältig abschätzen sollte, um sich dann zu überlegen, welche Folgen es hat, wenn man verliert."
Zuletzt geändert am 20.07.2009