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Veröffentlicht am 23­.09.2009

23.9.2009 - Stuttgarter Nachrichten

Bischöfe bangen um Einnahmequelle Katholik ja, Kirchensteuer nein

Stuttgart - Die Diskussion über Sinn und Unsinn der Kirchensteuer ist ein Dauerbrenner in der Katholischen Kirche. Die deutschen Bischöfe wollen von der milliardenschweren Einkommensquelle nicht lassen, während man im Vatikan ganz andere Vorstellungen hat.

Deutschlands Bischöfe sind stolz auf die "weltkirchliche Arbeit", die ihre Kirche leistet. Für das Engagement der rund 25 Millionen deutschen Katholiken in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa wird es auf der diesjährigen Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda wieder nur Lob geben. Nicht in der offiziellen Planung vorgesehen sind dagegen die beiden brennendsten Fragen, die die deutsche Kirche umtreiben: die wachsende Zahl an Kirchenaustritten und der drohende Einbruch bei der Kirchensteuer.

Auch der laufende Rechtsstreit des Erzbistums Freiburg mit dem Kirchenrechtler Hartmut Zapp lässt die 66 versammelten Oberhirten - zumindest nach außen - völlig kalt. Der 70-Jährige hat mit seinem Kirchenaustritt staatskirchenrechtliche Grundsatzfragen aufgeworfen, die das Ende der Kirchensteuer einläuten könnten. Hartmut Zapp ist beileibe kein Martin Luther, der das Kirchengebäude aus den Angeln heben möchte. Der Professor, der bis 2004 an der Freiburger Universität Kirchenrecht lehrte, gilt als renommierter Vertreter seines Fachs. Am 5. Juli 2007 erklärte er vor dem Standesamt seines Heimatortes Staufen seinen Austritt aus der Kirche.

Kein besonders spektakulärer Schritt angesichts von mehr als 93.000 Gläubigen, die 2007 ihrer Kirche den Rücken kehrten. Entscheidender ist, wie Zapp seinen Schritt begründet: Er wolle nur aus der Kirche als staatlich anerkannter Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten, nicht aber aus der Glaubensgemeinschaft. "Körperschaftsaustritt ist eine lediglich den staatlichen Bereich berührende Angelegenheit mit ausschließlich bürgerlicher Wirkung." Die Erzdiözese klagte, doch das Freiburger Verwaltungsgericht gab Zapp recht. Jetzt wird der Fall vor dem Verwaltungsgericht Mannheim erneut verhandelt. Notfalls wolle er bis in die höchsten Gerichtsinstanzen gehen, gab Zapp zu Protokoll.

Automatische Exkommunikation mit dem Austrittsformular

Wer auf dem Standesamt das Austrittsformular unterschreibt, ist automatisch exkommuniziert und wird aus dem Taufregister gestrichen. Diese Praxis hält Zapp für rechtswidrig. Um die Kirche zu verlassen, bedürfe es einer "inneren Entscheidung" für den Glaubensabfall. Der aber sei in seinem Fall nicht vorhanden. Zapp bekundet seinen unverbrüchlichen Glauben und will einen freiwilligen Obulus - wenn auch geringer als der übliche Kirchensteuersatz - zahlen.

Den Bischöfen und ihren Kämmerern schwant Schlimmes. Denn sollten andere Gläubige Zapps Beispiel folgen, könnte das Sterbeglöcklein für die Kirchensteuer geschlagen haben. "Eine Aufspaltung der Kirche in öffentlich-rechtliche Körperschaft einerseits und Glaubensgemeinschaft andererseits" sei nicht möglich, argumentiert Freiburgs Generalvikar Fridolin Keck. Doch Zapp steht mit seiner Meinung nicht allein. Andere Kanonisten stimmen ihm zu. "In den letzten Jahren hat die Zahl der Kirchenrechtler zugenommen, die diese Position vertreten", erklärt der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke.

Reinhold Sebott, emeritierter Kirchenrechtsprofessor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen ist überzeugt: "Wenn diese Position Schule macht, werden vermutlich viele Katholiken keine Kirchensteuer mehr zahlen wollen, aber weiter zur Kommunion gehen." Die deutschen Bischöfe würden das niemals akzeptieren. "Aber da Joseph Ratzinger Papst ist, wird es zur Konfrontation kommen."

Zapp beruft sich explizit auf Benedikt XVI. Als Kardinal hat Ratzinger in seinem Buch "Salz der Erde" erklärt: "Vielleicht könnte in Zukunft einmal der Weg in die Richtung des italienischen Modells gehen, das zum einen einen viel niedrigeren Hebesatz hat, zum anderen aber - das scheint mir wichtig - die Freiwilligkeit festhält."

Der Vatikan legte 2006 fest, wie der "formale Akt" des Kirchenaustritts auszusehen habe. In einem Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte heißt es: Der Abfall von der Kirche müsse eine innere Entscheidung zugrunde liegen, schriftlich niedergelegt sein und vom Bischof oder Pfarrer angenommen und geprüft werden. Daraus folgt: Der Staat ist in kirchlichen Fragen nicht kompetent. Der Gläubige bekundet nur seinen Willen, von der Steuerlast befreit zu werden und nicht, dass er kein Mitglied der Glaubensgemeinde mehr sein will.

Ungeachtet des römischen Bedenken stehen die Bischöfe unbeirrt zur "bewährten deutschen Praxis": Der vor der staatlichen Behörde erklärte Austritt ist automatisch kirchenamtlich gültig. "Der Dissens zwischen Rom und den deutschen Bischöfen besteht darin", betont Lüdecke, "dass die Bischöfe den Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts von vorneherein als Abfall von der Kirche werten und Ausgetretene als exkommuniziert betrachten. Und diese automatische Identifizierung wird von Rom nicht mitgetragen."

"Es geht natürlich ums Geld"

Der Grund für diesen Ungehorsam liegt auf der Hand. "Es geht natürlich ums Geld", so Sigrid Grabmeier von der Kirchenvolksbewegung. "Die deutsche Kirche ist finanziell extrem verwöhnt. Solange sie fett im Geld schwimmen, sind die Bischöfe nicht bereit, den Reformstau aufzulösen."

Auch wenn die Kirchensteuer in Fulda kein offizielles Thema ist, treibt die Geldnot die Oberhirten um. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, rechnet für 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise und Austrittswelle mit einem Kirchensteuerrückgang um bis zu zehn Prozent. 2008 haben sich rund 120000 Katholiken verabschiedet (2007: 93000). "Das ist schmerzlich für uns", so der Freiburger Erzbischof.

Die Bischöfe spielen derweil auf Zeit. Der Vatikan wird Änderungen nicht von heute auf morgen einfordern - zumal die deutsche Kirche mit ihren Steuermilliarden zahlreiche Ortskirchen und Projekte weltweit unterstützt. Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier glaubt, dass hinter der bischöflichen Verzögerungstaktik das "nachvollziehbare Bemühen" stehe, "Nachteile - nicht zuletzt finanzieller Art - von der Kirche abzuwenden". Aber, so Bier, "heiligt dieser Zweck auch nichtrechtskonforme Mittel"?

Auch in den eigenen Reihen werden die Zweifel immer lauter. Der scheidende Münchener Erzbischöfliche Finanzdirektor Sebastian Anneser sieht Signale für eine abnehmende Akzeptanz der Kirchensteuer. "Vermutlich wird es im europäischen Kontext zu neuen Lösungen kommen, die die Kirchenfinanzierung verschlechtern werden." Zudem dürfe man nicht vergessen, dass der Papst "offensichtlich mit dem italienischen System liebäugelt".

Wird der Fall Zapp zum Präzedenzfall, der die Kirchensteuer zum Kippen bringt? Die Experten sind sich nicht einig. Sebott glaubt, dass sich die gesamten Beziehungen von Staat und Kirche ändern könnten, sollte etwas "an dieser Ecke" geschehen. "Wenn sich Zapps Linie durchsetzt, würde das eine Revolution bedeuten."

Lüdecke äußert sich zurückhaltender. Die Tatsache, dass die Bischöfe bei ihrer kirchenrechtlich nicht haltbaren Position blieben, sei ein Indiz dafür, das "bei ihnen die Angst groß ist, es könnte vermehrt zu Kirchenaustritten kommen. Ob man diese Angst teilen muss, wage ich zu bezweifeln". Denn das Kirchenaustrittsverhalten entwickle sich unabhängig von dieser Debatte.

Außer ein paar Eingeweihten wird kaum ein Gläubiger wissen, wie man sich gegen einen Kirchenausschluss zur wehr setzenh kann. Zwar kann man beim Pfarrer oder Bischof Klage einreichen, doch passieren wird nichts. Grabmeier: "Niemand kann die Kirche zwingen, wieder ins Taufregister eingetragen zu werden." Der Exkommunizierte müsse sich an die zuständige Kurienbehörde wenden. "Der Fall Zapp", so Grabmeiers Fazit, " ist kein Modell für andere Katholiken, die austreten wollen."

Von Markus Brauer

Zuletzt geändert am 23­.09.2009