11.1.2010 - redaktion@kath.ch
Niederschwellige Beratung für alle Opfer sexueller Gewalt in der Kirche gefordert
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt, dass die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) jetzt eine telefonische Hotline für Menschen eröffnet, die als Kinder und Jugendliche in kirchlichen Heimen körperliches oder seelisches Leid erfahren haben. Gleichzeitig mahnt die katholische Reformbewegung an, endlich auch vergleichbare niederschwellige Angebote für Menschen einzurichten, die durch Priester und Ordensleute Opfer sexueller Gewalt wurden.
Wir sind Kirche schlägt deshalb vor, die von der DBK zusammen mit der Ehe-, Familien-, und Lebensberatung im Erzbistum Köln realisierte telefonische Hotline für ehemalige Heimkinder auch all denjenigen zu öffnen, die anderswo unter sexueller Gewalt in der römisch-katholischen Kirche gelitten haben oder noch leiden. Damit würde endlich auch für diese Fälle eine bundesweite, niederschwellige und unabhängige Beratung und Hilfe möglich sein. Denn einzelne Diözesen scheinen trotz der 2002 von der DBK verabschiedeten „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ immer noch überfordert zu sein. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Personalreferent oder ein Domkapitular als Ansprechpartner fungieren soll, dem die dringend notwendige Distanz zu dem unter Tatverdacht stehenden Geistlichen fehlt. Da die von den deutschen Bistümern beauftragten Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für durch Geistliche sexuell misshandelte Kinder und Jugendliche nur schwierig zu ermitteln sind, hat Wir sind Kirche eine Liste der Beauftragten zusammengestellt: http://www.wir-sind-kirche.de/?id=243#1
Solange die deutschen Bistümer der Forderung nach Einrichtung unabhängiger Beratungsstellen immer noch nicht nachkommen, hält Wir sind Kirche weiterhin das im Jahr 2002 eingerichtete Notruf-Telefon für Opfer sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute bereit.
Gegen die „Kultur des Verschweigens und Augen-Verschließens“
Der Ende Mai 2009 in Irland veröffentlichte Ryan-Report straft die oftmals wiederholte Versicherung Lügen, die Misshandlungen seien nur von einzelnen „abnormalen Individuen“ innerhalb kirchlicher Heime begangen worden. Aber auch australische und US-amerikanische Untersuchungen zeigen: Das zur Prävention sexualisierter Gewalt geforderte NEIN!-Sagen ist keine Stärke in Institutionen, die den absoluten Gehorsam fordern. Gewalt, die in streng hierarchischen Systemen von oben her ausgeübt wird, landet irgendwann in potenzierter Form unten bei den Schwächsten.
Auch in Deutschland ist die Zahl kindlicher und jugendlicher Opfer emotionaler, physischer und sexueller Gewalt wesentlich höher, als zunächst von den Kirchen angegeben. In den 1950er- bis 1970er-Jahren existierten etwa 1.500 katholische Heime. Aber die „Kultur der Misshandlungen“ in den Heimen wurde durch eine „Kultur des Verschweigens und Augen-Verschließens“ verschleiert.
Leider besteht bis heute ein großes Interesse, die ganze unsägliche Thematik von Gewaltausübung bis hin zur sexualisierten Gewalt im kirchlichen Bereich möglichst nur sehr kontrolliert zu bearbeiten. Eine für den 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München intensiv vorbereitete Podiumsdiskussion wurde kurzfristig von der Kirchentagsleitung abgesagt und in die Zuständigkeit von Caritas und Diakonie verwiesen – die allerdings selber in großem Maße Träger von Heimerziehung waren und sind.
Wir sind Kirche-Not-Telefon für Kinder und Jugendliche bei sexueller Gewalt in der Kirche
Von Wir sind Kirche erstellte Liste der Beauftragten in deutschen Bistümern
URL: www.kath.ch/index.php?na=11,10,0,0,d,46317
Zuletzt geändert am 29.01.2014