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Veröffentlicht am 09­.02.2010

9.2.2010 - tagesblick.de

Liegt die Schuld beim Zölibat?

Immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch an deutschen Jesuitenschulen

40 Fälle von sexuellem Missbrauch an Jesuitenschulen in Berlin, Bonn, St. Blasien im Schwarzwald und einer ehemaligen Ordenschule in Hamburg sind inzwischen bekannt. Ins Rollen war die Affäre nach einem Aufruf des Schulleiters des angesehenen Berliner Canisius-Kollegs Ende Januar gekommen. Seither melden sich immer mehr Betroffene. Alle Fälle betreffen die 70-er und 80-er Jahre und sind inzwischen verjährt. Zwei von drei Beschuldigten haben ihre Taten eingestanden. Der dritte bestreitet alle Vorwürfe.

Nicht wenige ehemalige Schüler waren entsetzt. Allerdings hatte es schon immer Gerüchte gegeben über das, was da im „Verhörzimmer“ bzw. „Onanier-Keller“ vor sich ging. Auch die Ordensleitung war seit 1991 im Bilde, hüllte sich aber in Schweigen. Als einzige Lösung fielen der Ordensleitung Versetzungen ein, was zu weiteren Missbrauchsfällen führte.

Angeheizt wurde die Diskussion durch einen missglückten Vergleich des Jesuiten Eberhard von Gemmingen, der den deutschsprachigen Dienst von Radio Vatikan leitet: „Es ist fatal, nun den ganzen Orden schlecht zu machen. Ich muss einen Vergleich ziehen: Mit den Juden ist es so losgegangen, dass vielleicht der ein oder andere Jude Unrecht getan hat. Dann aber hat man schlimmerweise alle angeklagt und ausrotten wollen.“ Inzwischen hat er die Aussage zurückgezogen.

Am Wochenende berichtete der „Spiegel,“ dass in den letzten 15 Jahren fast 100 Mitarbeiter der katholischen Kirche unter Missbrauchsverdacht geraten sind. Nun will sich die deutsche Bischofskonferenz mit dem heiklen Thema befassen. Deren Vorsitzender Erzbischof Robert Zollitsch hat sich bislang nicht zu Wort gemeldet.

Das haben dafür die Theologen Eugen Drewermann und Hans Küng, denen die Kirche die Lehrerlaubnis entzogen hat. Beide sehen in dem seit 1139 geltenden Zölibat das Hauptproblem. Auch die Bewegung „Wir sind Kirche“ forderte, „endlich die tieferen, strukturellen Ursachen in den Blick zunehmen, die strikte Sexualmoral, ein überhöhtes männliches Priesterbild und autoritäre hierarchische Strukturen.“

Deutsche Bischöfe wie der Passauer Wilhelm Schraml stellten sich dagegen hinter die „freiwillige Lebensform Zölibat“, die sich seit Jahrhunderten bewährt habe. Papst Benedikt XVI. dagegen setzte sich auf seiner USA-Reise erstmals - wenn auch nur inoffiziell - mit Missbrauchsopfern zusammen: „Es ist wichtiger gute Priester zu haben als viele.“

Zuletzt geändert am 11­.02.2010