24.2.2010 - suedkurier.de
„Heimspiel“ für Freiburgs Erzbischof
Freiburg – Auf besonderes Interesse in der Öffentlichkeit stößt die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Freiburg. Die große Aufmerksamkeit gilt hauptsächlich der Haltung der katholischen Kirche zum sexuellen Missbrauch im Priesteramt – leider nicht in erster Linie der historischen Universitätsstadt und ihren badischen Genüssen aus Küche und Keller.
Seit Montag ist die Stadt Freiburg erstmals Tagungsort der Deutschen Bischofskonferenz und damit bis zum morgigen Donnerstag Zentrum der katholischen Kirche in Deutschland. Gastgeber ist Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch (71), der vor zwei Jahren zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden war. Es nehmen 65 Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Weihbischöfe und andere Titularbischöfe an der Frühjahrsvollversammlung der 27 Bistümer teil; nur die Kardinäle Karl Lehmann (Mainz) und Joachim Meisner (Köln) sind verhindert.
Bei dem „Heimspiel“ für den Erzbischof von Freiburg sind die Kirchenmänner in den 85 Zimmern des Kirchen eigenen Stadthotels Freiburg, im ehemaligen Kolpinghaus, untergebracht. Zur Eröffnungssitzung der Vollversammlung am Montag kamen auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset, und als Gäste aus der Weltkirche Erzbischof Jean Zerbo (Mali), Erzbischof Luis Soares Vieira (Brasilien), Bischof Paul Bùi Van Doc (Vietnam) sowie P. Wilnès Tilus (Haiti, früherer Leiter der Caritas Haiti).
Im Münster werden täglich, jeweils um 7.30 Uhr, Gottesdienste gefeiert. Hauptzelebranten waren Bischof Franz-Josef Bode (Osnabrück), Bischof Joachim Reinelt (Dresden-Meißen) und Kardinal Georg Sterzinsky (Berlin). Den Eröffnungsgottesdienst vor seinen Glaubensbrüdern und mehreren hundert Christen hielt der Erzbischof von Freiburg am Montagabend im vollbesetzten Münster. Domsingknaben, Mädchenkantorei, Domchor und Domkapelle, insgesamt mit 350 Mitwirkenden, trugen gemeinsam die „Missa concertata für acht Stimmen“ von Johannes Benn (Meßkirch, 17. Jh.) vor.
Auf die mittlerweile über 100 Missbrauchsfälle von Jungen und Mädchen in der katholischen Kirche ging der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz auch in seiner Predigt ein. „Wir haben den dumpfen Nachhall auch von Jahrzehnten zurückliegenden Verfehlungen, die menschliche und dunkle Seite der Kirche und der Gesellschaft in den vergangenen Tagen und Wochen schmerzlich erfahren müssen“, sagte Zollitsch, „Vertrauen wurde auf abscheuliche Weise missbraucht und zerstört.“ Wo Vertrauen zwischen Menschen zerstört werde, da sei auch die Gemeinschaft mit Gott erheblich gestört. Der Erzbischof wörtlich: „Wir leiden mit den Opfern, die wir um Verzeihung bitten!“
Wegen der weiter wachsenden Zahl von Sexualstraftaten durch Priester sind zur Bischofskonferenz auffallend viele Journalisten angereist. Für sie wurde das Pressezentrum im Priesterseminar eingerichtet. Sie alle warteten auf die Erklärung von Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch zu den Missbrauchsfällen in der Kirche, insbesondere an mehreren Jesuitenschulen (darunter St. Blasien). Der Kernsatz seiner persönlichen Erklärung: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen ist immer ein abscheuliches Verbrechen, ja auch eine schwere Sünde.“ Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz entschuldigte sich bei den Opfern. Im Mittelpunkt der Beratungen standen überdies die „alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche“, der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr, Fragen der Berufungspastoral und eine Bestandsaufnahme zur Haiti-Hilfe.
Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ baute zwischen Münster und erzbischöflichem Ordinariat eine Mahnwache auf. Rund 20 Mitglieder dieser Bewegung nahmen an dieser Mahnwache teil, die friedlich und ohne Störungen der Bischofskonferenz verlief. Die Vertuschung sexualisierter Gewalt in der Kirche müsse aufhören und machten Front gegen Zwangszölibat und autoritäre Strukturen, forderten mehr Rechte für Frauen und entrollten ein Spruchband mit der Aufschrift: „Bischöfe stoppt den sexuellen Missbrauch“. Ihr Sprecher Christian Weisner aus München sagte vor Ort gegenüber den Medien, Erzbischof Robert Zollitsch und die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz müssten dafür sorgen, dass die straffällig gewordenen Priester aus der Kirche entfernt würden. „Wer ein Verbrechen begeht, der darf nicht mehr in die Seelsorge“, verlangte Weisner. Er besitze jedoch wenig Hoffnung, dass schon alle Oberhirten erkannt hätten, welcher Image- und Vertrauensverlust für die katholische Kirche durch die Missbrauchsfälle entstanden sei.
Für die Polizei ist die Bischofskonferenz weniger aufregend als unangemeldete Demonstration. Sie bleibe bei der Bischofskonferenz auf Distanz. Der Einsatz laufe sehr dezent ab, berichtete der Leiter des Reviers Nord.
Zuletzt geändert am 24.02.2010