13.3.2010 - DPA-Gespräch
Ruf nach Papst-Entschuldigung zur Missbrauchsaffäre
Es reiche nicht aus, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, nach einer Audienz beim Papst berichtet habe, Benedikt XVI. sei tief betroffen und bestürzt über den Missbrauchsskandal. «Es wäre gut, wenn der deutsche Papst ein Wort der Entschuldigung zu den Vorfällen in Deutschland fände», sagte Weisner. «Damit würde Joseph Ratzinger ein hilfreiches Vorbild geben, wie seine Bischöfe mit diesem Thema umgehen müssen.» Es gehe niemandem um Rücktrittsforderungen an den Papst. «Aber ein Zeichen der Buße und Umkehr von oberster Stelle ist nötig.»
Erklärungsbedarf des Papstes sieht die kirchenkritische Reformbewegung auch zu dessen Zeit als Münchner Erzbischof 1977 bis 1982. Am Freitag war bekanntgeworden, dass Ratzinger als Erzbischof im zuständigen Münchner Kirchengremium der Versetzung eines wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteten Priesters von Essen nach München zugestimmt hatte. Der Mann wurde in München wieder in einer Gemeinde eingesetzt, fiel nach einiger Zeit erneut mit pädophilen Übergriffen auf und wurde deshalb auch verurteilt.
Weisner widersprach der Darstellung des Münchner Erzbistums, dass der frühere Generalvikar Gerhard Gruber für den Fall die «volle Verantwortung» trage, sowie der Äußerung von Vatikansprecher Federico Lombardi, der heutige Papst selbst habe «mit der Sache nichts zu tun». Die eigentliche und letzte Verantwortung habe bei Joseph Ratzinger gelegen, betonte der «Wir sind Kirche»-Sprecher. «Das ist eben das hierarchische Prinzip der Kirche», erklärte Weisner. «Ein Bischof nimmt nicht nur eine große moralische Autorität für sich in Anspruch, sondern auch eine große administrative Autorität.» Deshalb könne ein Bischof, wenn Fehler passierten, nicht plötzlich sagen, dafür sei er nicht verantwortlich. «Diese Verantwortung ist da.»
Der Vatikan tue sich mit einer Entschuldigung offenbar deshalb schwer, weil er Entschädigungsforderungen der Opfer fürchte, sagte Weisner. Den meisten Opfern gehe es aber nicht um Entschädigung, sondern um Aussöhnung und darum, dass sie mit ihrem früheren Leid angenommen und ernst genommen würden. «Die Opfer können nur Versöhnung geben, wenn sie um Verzeihung und Versöhnung gebeten werden.»
Weisner forderte den Münchner Erzbischof Reinhard Marx zu mehr Offenheit bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle auf. Die Kirche müsse von sich aus informieren und nicht erst wie im aktuellen Fall aus Ratzingers Münchner Zeit, wenn eine Zeitungsveröffentlichung unmittelbar bevorstehe. Das Erzbistum wäre gut beraten, seine Archive für unabhängige Experten ohne Einschränkungen zu öffnen, sagte Weisner.
Gespräch: Jürgen Balthasar, dpa
Zuletzt geändert am 13.03.2010