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Veröffentlicht am 16­.03.2010

15.3.2010 - DIE TAGESZEITUNG

Der Fehler des Unfehlbaren

MISSBRAUCH. Ist auch Benedikt XVI. in den Skandal der katholischen Kirche verwickelt? Der Papst schweigt zu einem Fall aus seiner ehemaligen Diözese – und wird dafür kritisiert. Der Vatikan sieht Kampagne gegen den Pontifex VON ULRICH SCHULTE In dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche wird jetzt auch Kritik an Papst Benedikt XVI. laut. „Eine Autorität, die schweigt, gewinnt nicht anAutorität, sondern sie wird beschädigt“, sagte Christian Weisner, der Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“am Sonntag der taz. „Der Papst hat wieder die Chance vertan, ein Wort des Mitgefühls zu sprechen. Auch kirchentreue Katholiken verstehen dieses Schweigen nicht.“ Der Papst hatte lediglich über denVorsitzenden derDeutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, seine Betroffenheit ausrichten lassen.

Beim sogenannten Angelusgebet am Sonntag in Rom ging der Papst mit keinem Wort auf den Skandal an katholischen Einrichtungen in Deutschland ein – in derVergangenheit hatte Benedikt bei dem Gebet oft aktuelle Ereignisse thematisiert. Die Andachtwar sein erster öffentlicher Auftritt, nachdem am Freitag Abend eine folgenreiche Entscheidung aus Joseph Ratzingers früherer Erzdiözese bekannt geworden war. Ratzinger war zwischen 1977 und 1982 Erzbischof von München und Freising.

Ein pädophiler Pfarrer wurde hier seit 1980 fast ununterbrochen in der Gemeindearbeit eingesetzt. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen undwurde dafür gerichtlich verurteilt. Als Erzbischof saß Ratzinger im Ordinariatsrat des Bistums. Der Rat stimmte der Versetzung des Priesters nach München zu, der sich im Bistum Essen wegen Kindesmissbrauchs nicht halten ließ. Den Beschluss habe der damalige Erzbischof mit gefasst, bestätigte das Bistum einen Bericht der Süddeutschen Zeitung.

Die Erzdiözese räumte schwere Fehler im Umgang mit dieser Personalie in den Achtzigerjahren ein. Der frühere Generalvikar Gerhard Gruber, 81, übernehme die „volle Verantwortung“ dafür, dass der Priester „trotz Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs und trotz einer Verurteilung“ wiederholt in der Pfarrseelsorge eingesetzt wurde. Nebendiesem Fall wurden am Wochenende zudem Missbrauchsfälle bei den RegensburgerDomspatzen bekannt, die der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, dreißig Jahre lang leitete (siehe Reportage Seite 3).

Der Vatikan hingegen vermutet hinter der Kritik am Papst eine Kampagne. Einige hätten versucht, den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchsfrage hineinzuziehen, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Samstag. Doch diese Versuche seien gescheitert.

Weisner von „Wir sind Kirche“ forderte mehr Transparenz der Kirche. „Der Papst müsste seinen Nachfolgern in der Diözese erlauben, die Archive zu öffnen. Je schneller die Kirche offen mit dem Problem umgeht, desto besser.“ Nach der Bankenkrise sei eine moralische Instanz nötiger denn je, sagte Weisner weiter. „Es schmerzt, dass die Kirche derzeit Vertrauen verspielt und beinahe handlungsunfähig erscheint.“

Die Missbrauchsfälle schaden einer Emnid-Umfrage zufolge dem Ansehen der Kirche. 71 Prozent der Deutschen sagten in einer repräsentativen Erhebung für die Bild am Sonntag, die Vorfälle in Kircheneinrichtungen hätten der Glaubwürdigkeit der Kirche geschadet. Nur 22 Prozent sehen das anders. Unter den Katholiken sind 67 Prozent der Meinung, ihre Kirche habe an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Für 31 Prozent ist dies nicht der Fall. Das Institut hatte 502 Personen befragt.


„Eine Autorität, die schweigt, wird dadurch beschädigt“ CHRISTIAN WEISNER, „WIR SIND KIRCHE“

Zuletzt geändert am 16­.03.2010