22.3.2010 - 2010 Nassauische Neue Presse
Missbrauch: Nach den Gründen fragen
Limburg-Eschhofen. Sie fordern Mitspracherechte, Reformen und eine Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien. Für die Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche» gibt es aber auch einige ganz aktuelle Kritikpunkte an der Kirche. Das ist auch in der Diözese nicht anders, wie am Samstag beim Fühjahrstreffen der Bistumsgruppe in Eschhofen deutlich wurde.
Am wichtigsten Thema, der Missbrauchsdebatte, vermisst «Wir sind Kirche» eines: «Es muss mehr nach den Gründen gefragt werden, warum so etwas passiert», forderte Henny Toepfer, eine der Sprecherinnen der Gruppe. Die Versammlung war sich einig, dass viel mehr darauf geachtet werden müsse, wie Priesteramtskandidaten veranlagt sind. «Da muss man sich auch selbst hinterfragen», wurde klar.
Eine andere Forderung der Gruppe zielt auf die kirchliche Sexuallehre ab: «Es braucht in der Kirche ein ganz anderes Verhältnis zur Sexualität», sagte Toepfer. Die Bewegung ist auch nicht damit einverstanden, dass bei der Missbrauchsdebatte ständig auf die Gesellschaft verwiesen werde.
Hoher Maßstab
Selbst wenn solche Verbrechen auch außerhalb der Kirche passieren, müsse man doch bei Priestern einen anderen Maßstab anlegen: «Die sind schließlich Boten Jesu, sie müssen Werte vermitteln, glaubwürdiger und vertrauenswürdiger sein», machte Toepfer deutlich.
Um Missbrauchsfällen vielleicht ein Stück weit besser Einhalt zu gebieten, sei auch die Beichte geeignet, stellte die Versammlung fest: Zwar muss das Beichtgeheimnis gewahrt bleiben, aber Beichtväter, die von Missbräuchen erführen, sollten «zumindest ein Bewusstsein von den Problemen bekommen und entsprechend handeln».
Die Kirchenvolksbewegung ist sich sicher, dass man damit präventiv wirken könne gegen Missbrauch. Und vor allem: Um Glaubwürdigkeit zu bewahren, sollten Bischöfe zurücktreten, denen man nachweisen kann, dass sie Missbrauchsfälle vertuscht haben.
Teure Reise
Die Wir-sind-Kirche-Leute kritisierten die beiden jüngsten Pressekonferenzen von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. An der ersten (zu den Missbrauchsvorwürfen) störte sie unter anderem die Wortwahl des Oberhirten, für die zweite (zum Finanzskandal) hätte er nicht für viel Geld aus Israel einfliegen müssen. «Können wir uns so etwas leisten?», fragte Toepfer. Da hätte der Generalvikar ebenso gut sprechen können, war sich die Versammlung einig.
Schule übergangen
Zufrieden ist die Gruppe auch nicht mit dem, was an der Limburger Marienschule vor sich geht: Die Einrichtung einer Jungenklasse sei zwar vorstellbar. «Aber die Art und Weise, wie die Entscheidung dafür getroffen wurde, ist nicht in Ordnung», monierte eine Teilnehmerin, die selbst die Marienschule besucht hat und jetzt Mutter einer Marienschülerin ist. Dass Lehrer und Eltern bei der Umgestaltung der Schule übergangen worden seien, mache sie traurig. Die Bewegung hat mit der Absicht, nur katholische Jungen aufzunehmen, keine Probleme. Sonst würde es mit dem Religionsunterricht schwierig. alh
Foto: Maria Ospet-Honemann diskutierte mit Henny Toepfer vom Sprecherteam der Initiative.
Zuletzt geändert am 22.03.2010