26. Mai 2006 - Der Tagesspiegel
Marx und Merkel werben für Kampf gegen Arbeitslosigkeit
Zum Auftakt des 96. Deutschen Katholikentages in Saarbrücken hat der Trierer Bischof Reinhard Marx die Christen zu gesellschaftlichem Engagement gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheit aufgerufen. Rund 40 000 Teilnehmer werden bis zum Abschluss am Sonntag erwartet. Zu den zahlreichen Veranstaltungen unter dem ebenso religiös wie politisch zu verstehendem Motto „Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht“ ist auch hochkarätige Politprominenz zu Gast. Dieses Leitwort sei, sagte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, „nicht nur ein Prüfstein für die Politik in Deutschland, sondern auch ein Maßstab für das neue Europa“.
Kanzlerin Angela Merkel mischte sich nach dem Gottesdienstbesuch in der „Kirchenmeile“ unters Volk, besuchte junge Metallbauer und Friseurinnen einer Arbeitsloseninitiative des Bistums Trier und diskutierte anschließend mit sechs Jugendlichen aus fünf Ländern über Europa. Unter der deutschen Präsidentschaft 2007 wolle sie nicht nur einen Anlauf zur Entrümpelung europäischer Regelungswut nehmen, sondern auch das Ziel einer europäischen Verfassung und die Aufnahme des Gottesbezugs nicht aus den Augen verlieren. Sie warnte vor einer endlosen EU-Erweiterung und rief zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf.
Nur wenige Meter von ihrem Auftrittsort hatte zuvor Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Stand von Bibel-TV vehement vor den Folgen sozialer Verwerfungen gewarnt. „Demokratie braucht Gerechtigkeit, sonst ist sie verloren“, meinte er, der sich als „preußischer Katholik“ outete, unter dem Beifall der Zuhörer. Beim Empfang der Bundestagsfraktion der Grünen am Abend zuvor hatten sich die Fraktionsvorsitzende Renate Künast und der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky in vielen sozialpolitischen Forderungen gegenseitiger Zustimmung versichert, zum Beispiel beim Islam-Unterricht an deutschen Schulen und den Integrationsbemühungen von Migranten.
Für diesen Freitag hat sich unter anderem Bundespräsident Horst Köhler angesagt. Auch der PDS-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Oskar Lafontaine, sprang auf den Katholikentagszug auf und ließ Einladungskarten für einen Auftritt am Freitagabend in einer Gaststätte verteilen. Der Saarbrücker Kirchenkritiker Gotthold Hasenhüttl bekommt von den Veranstaltern des Kirchentages kein Podium zur Verfügung gestellt. Doch sein Auftritt am Samstag im Saarbrücker Staatstheater dürfte ebenfalls nicht unter Publikumsmangel leiden.
Zuletzt geändert am 25.05.2006