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Veröffentlicht am 12­.05.2010

12.5.2010 - echo-online.de

Christentreffen im Schatten der Krise

Von Rebecca Keller

Kirche: Der Skandal um sexuelle Gewalt liegt schwer auf dem Ökumenischen Kirchentag, der am Mittwoch in München beginnt

Unter dem Leitwort ,,Damit ihr Hoffnung habt" beginnt am Mittwoch der Zweite Ökumenische Kirchentag in München. Nach der Erstauflage 2003 in Berlin ist das Treffen, das bis Sonntag rund 100 000 Dauergäste besuchen werden, vom Skandal um sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche überschattet. Der Stab des Ökumenischen Kirchentags hat daher kurzfristig zwei Podiumsdiskussionen zu diesem Thema ins Programm aufgenommen. Vor Ort stehen außerdem Psychologen und Berater bereit, denen sich Opfer anvertrauen können.

Der gemeinsame Kirchentag wird von zwei Laienorganisationen verantwortet: dem Deutschen Evangelischen Kirchentag und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Rund 3000 Veranstaltungen stehen Christen verschiedener Konfessionen offen: Workshops, Vorträge, Bibelarbeiten, Gottesdienste, Konzerte sowie Hallen füllende Podiumsdiskussionen. Neben führenden Kirchenvertretern hat sich auch diesmal wieder viel Politprominenz angekündigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am Freitag in der Münchener Messe zum Thema ,,Hoffnung in Zeiten der Verunsicherung".

Welche Hoffnungen ruhen auf dem Zweiten Ökumenischen Kirchentag in Zeiten einer eher ins Stocken geratenen interkonfessionellen Annäherung? Die katholische Kirche ist in ihrer größten Krise seit der Reformation notwendig mit sich selbst beschäftigt. Die evangelische Kirche hat den Verlust ihrer vielversprechenden, jedoch persönlich gescheiterten Ratsvorsitzenden, Margot Käßmann, noch nicht verwunden.

Zehn Jahre ist es her, dass die römisch-katholische Glaubenskongregation, geleitet vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, in der Erklärung ,,Dominus Iesus" die Kirchen der Reformation zu drittklassigen ,,kirchlichen Gemeinschaften" erklärte und damit bis heute nicht als Kirche im eigentlichen Sinne anerkennt. Darum wäre es nur allzu verständlich, wenn sich die evangelische Seite resigniert aus dem ökumenischen Prozess zurückzöge. Andererseits hat sie sich ihrerseits durch ihre jüngste Kritik an dem ,,wenig profilierten" Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, auch nicht gerade als Partner attraktiv gemacht.

Vom ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin ist die nach katholischem Recht illegale gemeinsame Abendmahlsfeier, die den Priester Gotthold Hasenhüttl Amt und Lehrerlaubnis kostete, noch in lebhafter Erinnerung. Für das zweite ökumenische Treffen in München ist nun eine ,,orthodoxe Brotsegnung an tausend Tischen" geplant. Am Freitagabend sollen zehntausend Menschen auf dem Münchener Odeonsplatz in Tischgruppen zu jeweils zehn Personen bei gesegnetem Brot, Äpfeln und Wasser ökumenische Gemeinschaft leben können, ohne aber eine echte Abendmahlsgemeinschaft zu feiern. Im Mittelpunkt steht die ,,Artoklasie", die Brotbrechung aus der griechisch-orthodoxen Tradition, die an die wundersame Brotvermehrung im Markus-Evangelium erinnert. Der evangelische Präsident des Zweiten Ökumenischen Kirchentages, Eckhard Nagel, hofft, dass das ,,Bild der Tischgemeinschaft" besonders nachhaltig in Erinnerung bleiben möge.

Landesbischof Friedrich Weber fordert, einen Prozess in Gang zu setzen mit dem Ziel einer gemeinsamen Erklärung zum Abendmahl. Das lutherische und das römisch-katholische Abendmahlsverständnis liegen nach Webers Auffassung ,,nicht mehr weit auseinander".

Dass eine gemeinsame Abendmahlsfeier auf dem Ökumenischen Kirchentag verboten ist, kritisiert die ,,Initiative Kirche von unten". Eine solche Feier wäre ,,Ausdruck erreichter Gemeinsamkeit und eine ermutigende Stärkung auf dem Weg zu einer vertieften Einheit", heißt es in einer Erklärung. Die Initiative ruft alle Christen auf, an Abendmahls- und Eucharistiefeiern der jeweils anderen Konfession teilzunehmen.

Dass beim Ökumenischen Kirchentag das Augenmerk auf viele andere Gemeinsamkeiten gelenkt werde, ist die Hoffnung von Reinhard Frieling, des früheren Leiters des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim. Der gemeinsame christliche Glaube dürfe nicht nur ein Minimalkonsens, sondern müsse ein ,,Fundamentalkonsens" sein, sagt Frieling. Ziel müsse es sein, Selbstgenügsamkeit und Vorurteile gegenüber der anderen Konfession abzulegen und in ,,versöhnter Verschiedenheit" zu mehr ökumenischer Gemeinschaft zu kommen.

Unabhängig von Institutionen wie dem Ökumenischen Rat der Kirchen mit Sitz in Genf ist die ökumenische Bewegung immer schon eine Basisbewegung gewesen. ,,Jetzt erst recht" ist deshalb auch die Devise von Christoph Rinneberg. Der Protestant aus dem Ober-Ramstädter Stadtteil Wembach, der gemeinsam mit seiner katholischen Frau im Ökumenischen Netzwerk in Deutschland aktiv ist, will sich angesichts des spürbaren ,,konfessionellen Rückzuges" nicht beirren lassen.

Auch ein gemeinsames Abendmahl ist für ihn selbstverständlich: ,,Es ist Christus selber, der einlädt." Alle anderen seien dabei nur ,,Hilfsarbeiter Gottes". Die Basis müsse handeln, das Volk sei die Kirche, sagt Rinneberg. Den Ökumenischen Kirchentag solle man nicht als Event betrachten, sondern als Frischzellenkur. ,,Wenn sich etwas in der Ökumene tut", so Rinneberg, ,,dann von unten."

Zuletzt geändert am 11­.05.2010