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Veröffentlicht am 13­.05.2010

13.5.2010 - SZ-online.de

Kirchenkritiker Hans Küng attackiert Rom: Zweite Reformation nötig

(München/Berlin/dpa) Der Kirchenkritiker und Tübinger Theologe Hans Küng hält nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche eine zweite Reformation für notwendig. Der Skandal habe zu einer Vertrauenskrise sondergleichen geführt, sagte Küng am Donnerstag beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München. Zugleich sei damit eine vielschichtige Führungskrise offenkundig geworden, die auch eine Glaubenskrise zur Folge habe.

Jetzt sei es nicht mehr mit Reförmchen getan. Vielmehr sei „so etwas wie eine zweite Reformation“ notwendig - aber nicht zur Spaltung, sondern für die Einheit der Kirche.

Das autoritäre Lehramt der katholischen Kirche lade den Gläubigen immer neue Konflikte auf — mit den Naturwissenschaften oder bis hin zur Schwangerenberatung. Er habe Verständnis für viele, die eine unerträgliche Diskrepanz beklagen zwischen dem Leben von Jesus und der kirchlichen Hierarchie. „Ich kann mir beim besten Willen nicht Jesus beim Pontifikalamt im Petersdom vorstellen“, sagte Küng.

Massive Kritik übte er auch am Zölibat: „Gegen alles, was in der Bibel steht“, verbiete Rom die Heirat von Priestern. Unverständnis zeigte er auch über die Haltung des Vatikans, ein gemeinsames Abendmahl mit den Protestanten zu verbieten. Ihm habe noch niemand erklären können, warum dies nicht möglich sein solle. „Wir müssen uns doch nicht entschuldigen, wenn wir eine gemeinsame Abendmahlsfeier haben wollen“, sagte der Theologe in München.

In einem Interview mit der Berliner „tageszeitung“ (Freitag) äußerte er die Auffassung, die Kirche befinde sich in einer Wendezeit. Dies eröffne neue Möglichkeiten, „wie sie im Zweiten Vatikanischen Konzil vor bald 50 Jahren angelegt wurden, nämlich die Kirche näher an das Evangelium zu bringen und sie so von der Starrheit und der Lebensferne zu befreien“. „Es geht im Grunde immer noch um dieselbe Frontstellung: Öffnen wir uns der Welt oder bleiben wir starr?“ Man habe zwar „die Schlacht“ um eine Öffnung der Kirche verloren, „aber nicht den Krieg“.

Auf die Frage, ob eine Reform der Kirche von unten kommen müsse, sagte Küng: „Gäbe es eine Volksabstimmung wie in meiner Schweizer Heimat über diese Fragen, dann würde die Reform, die ich und Millionen andere wollen, eine Mehrheit erhalten. Das Zölibatsgesetz würde wegfallen, die Frauenordination eingeführt, die Kirchenverfassung demokratisiert, das Papsttum reformiert. Die Kräfte sind da, sie kommen aber nicht zum Durchbruch, weil dieses absolutistische System, gerade unter den letzten beiden Päpsten, alles getan hat, um jegliche Kritik abzuwürgen.“

Zuletzt geändert am 13­.05.2010