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Veröffentlicht am 01­.06.2010

Juni 2010 HerderKorrespondenz

Kirchentag mit Mehrwert

von Alexander Foitzik

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Anders als beim ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin gab es in München kein medienwirksam inszeniertes Protest-Abendmahl. Gemeinsam hatten die Verantwortlichen von evangelischer wie katholischer Seite gemahnt, das Abendmahl als einen zutiefst persönlichen Glaubensakt nicht zur politischen Manifestation zu missbrauchen.

Von der Absicht getrieben, Kirchentag und Vorbereitungsprozess nicht wieder von der Frage nach einem gemeinsamen Abendmahl dominieren zu lassen, hatte früh im Vorfeld des Christentreffens das gemeinsame Präsidium auf andere Schritte und Fortschritte verwiesen: Allein die Vorbereitung dieses zweiten Ökumenischen Kirchentags werde zu tieferer Einheit und Gemeinsamkeit führen. So mahnte der zu Beginn der Vorbereitungen als „katholischer" Präsident im gemeinsamen Vorstand des Ökumenischen Kirchentages von München amtierende ZdK-Präsident Hans-Joachim Meyer anlässlich einer ökumenischen Vorbereitungskonferenz Ende 2007: Der zweite Ökumenische Kirchentag sei kein „Wartesaal der Ökumene", sondern eine ihrer „Baustellen".

Selbstredend und nahezu zwangsläufig bringen es die unzähligen, durchgängig konfessionell gemischten Vorbereitungsgruppen und -gremien mit sich, dass man sich untereinander besser kennen- und verstehen lernt. Auch wenn sich gelegentlich das Trennende überhaupt erst in der intensiven Zusammenarbeit zeigt und diese Zusammenarbeit oft gerade dort mühsam wird, wenn es beispielsweise darum geht, die unterschiedlichen Traditionen von Kirchentag und Katholikentag zu verbinden. Wer aber wollte beispielsweise die vielleicht auch nur für diesen Kirchentag gelebte Ökumene auf der so genannten Agora, der Präsentationsfläche des Kirchentages für Organisationen, Verbände und Gruppen geringschätzen. Unvorstellbar, dass das gemeinsame Engagement für den Kirchentag ohne Nachwirkungen bleibt. Und umgekehrt gab eben dieser Kirchentag in hlünchen ebenso wie der in Berlin doch beredtes Zeugnis, an wie vielen Orten und auf wie vielen Ebenen kirchlichen Lebens Ökumene längst praktiziert wird: der Ökumenische Kirchentag als Messe glückender ökumenischer Zusammenarbeit.

In diesem Sinne mahnten denn auch auf den ausdrücklich der Ökumene gewidmeten Podien und Foren Zeitzeugen und Ökumene-Pioniere, das Erreichte nicht gering zu schätzen, den enormen ökumenischen Fortschritt der letzten vier oder fünf Jahrzehnte nicht durch Fixierung auf das Noch-Nicht des gemeinsamen Abendmahls zu übersehen.

Dabei zeigte auch in München der Blick in das durchweg große, meist aber auch „graue" Auditorium bei ausdrücklich ökumenischen Themen einmal mehr: das Leiden an der Trennung wie das treue Hoffen auf Kircheneinheit sind eine Generationenfrage. So mahnten etwa bei einer von der Reformgruppe „Wir sind Kirche" im offiziellen Kirchentagsprogramm veranstalteten Podiumsdiskussion zwei Ökumenepioniere zu „ungeduldiger Geduld" in geschichtsbewusster Gelassenheit: der als Katholik lange Jahre an einer EvangelischTheologischen Fakultät tätig gewesene Otto Hermann Pesch zusammen mit dem Catholica-Beauftragten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Landesbischof Friedrich Weber – assistiert von dem konfessionsgetrennten Paar Hans-Jochen und Liselotte Vogel.

Alle vier jedoch stießen bei diesem Podiumsgespräch auf das freundlich-ratlose „Wo liegt denn überhaupt das Problem?" zweier junger katholischer Studentinnen, beide aufgewachsen in fragloser, selbstverständlich gelebter Ökumene. Kann so nicht auch der Ökumenische Kirchentag vorzüglicher Ort sein für das dringend gebotene Generationengespräch auf der einen Seite und die Reflexion und Vertiefung selbstverständlich gelebter Ökumene auf der anderen? Zum mediengängigen Symbol für den eigentlichen Fortschritt Oder Mehrwert dieses zweiten Ökumenischen Kirchentages wurde die orthodoxe Vesper am Freitagabend, der an 1000 Tischen unter freiem Himmel am Münchner Odeonsplatz praktizierte orthodoxe Ritus des Brotbrechens und -teilens. Was sicherlich vielen der Teilnehmenden als so etwas wie eine „kleine" Ersatzlösung für das noch nicht mögliche gemeinsame Abendmahl erschien, war vor allem das Ergebnis einer mit diesem zweiten Ökumenischen Kirchentag entschieden vorgenommenen Erweiterung des ökumenischen Horizonts.

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Zuletzt geändert am 07­.06.2010