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Veröffentlicht am 11­.07.2010

11.7.2010 - Domradio Köln

Journalisten rügen Kirche. Anti-Preis als Anlass zur Selbstkritik

Für den Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, war es kein Heimspiel. Bei der Jahrestagung der Journalistenvereinigung „netzwerk recherche“ musste er am Samstag in Hamburg scharfe Kritik anhören - und einen unbeliebten „Preis“ entgegennehmen: Die „Verschlossene Auster“ für den „Informationsblockierer des Jahres“.

Als Rahmen hatte die Journalistenorganisation eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Mixa und Co. - Der Missbrauchsskandal in den Medien“ angesetzt. Auf dem Podium saßen neben Kopp die Journalisten Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“, der die „Laudatio“ für die Preisverleihung hielt, und Gernot Facius, Autor und Kirchenexperte der Zeitung „Die Welt“. Annegret Laakmann, Sprecherin der innerkirchlichen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ komplettierte die Runde, die von der „Publik-Forum“-Journalistin Britta Baas moderiert wurde.

Der Skandal um den früheren Augsburger Bischof Walter Mixa, obwohl titelgebend, sollte weitgehend in den Hintergrund rücken. Im Zentrum der Gesprächsrunde stand die Frage, wie die katholische Kirche ihre eigene Rolle bei der Aufklärung bewertet und warum nicht früher über die Missbrauchsfälle berichtet wurde. Prantl, der bereits vor zehn Jahren über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche berichtet hatte, räumte ein, das Gesamtausmaß unterschätzt zu haben. „Ich hielt es anfangs für Einzelfälle. Aber hier sind verbrecherische Dinge abgelaufen, für die es individuelle und strukturelle Verantwortung gibt.“ Wie bei einem Puzzlestück hätten sich diese „unendlich vielen entsetzlichen Details langsam zu einem Gesamtbild zusammengesetzt“. Laakmann vermutete, im Fall des Berliner Canisius-Kollegs habe die Massierung der Fälle an einem Ort dafür gesorgt, dass sich die Opfer in großer Zahl in die Öffentlichkeit gewagt hätten.

Kritik und Gegenkritik

Kopp räumte Kommunikationsfehler der katholischen Kirche im Umgang mit dem Missbrauchsfällen ein. „Wir haben in einem falsch verstanden Täterschutz Fehler gemacht und können jetzt nicht zum business as usual zurückkehren“, erklärte der Sprecher der Bischofkonferenz. 90 Minuten diskutierten die Teilnehmer in einem Tonfall, der weitgehend sachlich blieb. Während die Journalisten einerseits von diversen Recherchehürden berichteten, gestanden sie ebenso eigene Fehler ein: Nicht immer sei er mit der Darstellung des Missbrauchs in den Medien glücklich gewesen, meinte Facius. Vor allem kritisierte er die falsche Bezeichnung „neu“ für Fälle, die bereits Jahrzehnte zurücklagen, aber erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Aus der Defensive agierte jedoch vor allem Kopp, der die Bemühungen in der katholischen Kirche um mehr Transparenz zu verteidigen versuchte: Als Beispiele nannte er die Hotline für Missbrauchsopfer sowie die Leitlinien im Umgang mit Missbrauchsfällen, die die Bischofskonferenz bereits 2002 beschlossen hatte und nun überarbeiten will. „Wir waren damals die einzige Institution mit derartigen Richtlinien, kein Sportverein hatte so etwas“, so Kopp.

Prantl wollte einen solchen Vergleich nicht akzeptieren: Die katholische Kirche sei mit ihrem besonders hohen moralischen Anspruch eben „keine Feuerwehr, kein Schützenverein und kein Sportverein“. Auch Laakmann zeigte sich skeptisch gegenüber der postulierten neuen Offenheit. Ohne kircheninterne Gegenbewegungen hätte es nach ihrer Meinung eine Entwicklung der Amtskirche zu mehr Transparenz nicht gegeben. Nur einmal drohte die faire Grundstimmung zu kippen: Als Kopp vor einem „katholischen Pranger“ warnte und den Journalisten vorwarf, in ihrer Berichterstattung Missbrauchsfälle außerhalb der katholischen Kirche einseitig zu vernachlässigen. Die scharfe Replik Prantls folgte auf dem Fuße: „Ich will eine solche Aufdeckungsarbeit, und kein Promille weniger davon!“

(Jens Wiesner / kna)

Zuletzt geändert am 12­.07.2010