27.05.2006 - Mannheimer Morgern
„Benedikt XVI. hat Schritte rückwärts gemacht“
Von unserem Redaktionsmitglied Jan Kuhlmann
Saarbrücken. Ein gemeinsames Abendmahl zwischen Katholiken und Protestanten bleibt in weiter Ferne. Als der Saarbrücker Theologe Gotthold Hasenhüttl 2003 beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin auch Protestanten zur Eucharistiefeier einlud, wurde er suspendiert. Später entzog ihm der zuständige Trierer Bischof Reinhard Marx die Lehrerlaubnis. Beim Katholikentag in seiner Heimatstadt ist Hasenhüttl derzeit eine unerwünschte Person: Im offiziellen Programm darf er nicht auftreten. Der Sprecher der kirchenkritischen Bewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, kritisiert das scharf. Papst Benedikt XVI. wirft er Rückschritte bei der Ökumene vor.
Das Leitwort des Katholikentages lautet "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht". Wie gerecht geht die katholische Kirche mit Gotthold Hasenhüttl um?
CHRISTIAN WEISNER: Jede Ausgrenzung ist ungerecht. Das ist der blinde Fleck, den dieser Katholikentag hat. Damit wird die wichtige Botschaft des Treffens – die Forderung nach mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft – leider verdunkelt. Denn Kirche kann nur glaubwürdig von anderen fordern, was sie selber praktiziert. An Gerechtigkeit gegenüber Frauen, missliebigen Theologen und wiederverheirateten Geschiedenen, um nur einige zu nennen, mangelt es in der katholischen Kirche leider noch sehr.
Warum sollte Hasenhüttl denn unbedingt am Katholikentag teilnehmen?
WEISNER: Weil er mit seinem Gottesdienst beim Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin für das steht, was theologisch bereits möglich ist. Deshalb ist das von Bischof Marx ereilte Lehrverbot für Professor Hasenhüttl und seine Suspendierung auch nicht nachvollziehbar. Sogar die Eucharistie-Enzyklika von Papst Johannes Paul II. gibt in dieser Frage einen gewissen Spielraum.
Hasenhüttl tritt heute in Saarbrücken außerhalb des offiziellen Programms bei einer Diskussion auf, die "Wir sind Kirche" mitorganisiert. Das klingt nach Provokation.
WEISNER: Die Leitung des Katholikentages hat sich zu keinem Zeitpunkt mit der Frage beschäftigt, ob Hasenhüttl überhaupt dabei sein soll. Das ist die eigentliche Provokation. Bei einer Diskussion mit Hasenhüttl hätte über konkrete Schritte in der Ökumene diskutiert werden können. Diese Dialogfähigkeit vermisse ich auf dem Katholikentag.
Mit dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. ist viel über die Zukunft der Ökumene spekuliert worden. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
WEISNER: In der Ökumene mit den Protestanten sind wir seit dem Konzil sehr weit gekommen. Ich habe aber leider den Eindruck, dass Papst Benedikt XVI. diese nicht mehr weiterführen will. Unter ihm sind Schritte rückwärts gemacht worden. Die katholische Kirche hat Angst, ihre eigenen Schäfchen zu verlieren.
Nach der Papstwahl und dem erfolgreichen Weltjugendtag in Köln herrschte bei den deutschen Katholiken so etwas wie Aufbruchstimmung. Hat es diesen Aufbruch wirklich gegeben?
WEISNER: Man darf sich von so großen Ereignissen nicht täuschen lassen. Der Vatikan und auch die Medien stellen Ratzinger nur jetzt als Papst in einem ganz neuen Licht dar. Als „Glaubenshüter“ hat er aber mehr als 20 Jahre lang alle kritischen Theologen ausgesondert. Deshalb herrscht weiterhin große Angst und Stille. Auch wenn Ratzinger jetzt als Papst Benedikt als milder Hirte erscheint, in der Linie hat er sich keinen Deut gewandelt.
Christian Weisner - Zur Person
Der Stadt- und Verkehrsplaner Christian Weisner gehört zu den Sprechern der „Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche“. Der 54-Jährige wurde in Kiel geboren und lebt heute im bayrischen Dachau. „Wir sind Kirche“ gehört zu den kritischsten innerkirchlichen Stimmen. Seit 1995 setzt sich die Gruppe für Reformen ein. Unter anderem fordert sie mehr Mitspracherechte für Laien. Auch Frauen und Homosexuelle sollen das Priesteramt ausüben dürfen. Sie wendet sich gegen den Zölibat für katholische Geistliche.
Zuletzt geändert am 31.05.2006