24.9.2010 - Frankfurter Rundschau
Viele kleine Schritte
von Wolfgang Wagner
Fulda. Die katholischen Bischöfe wollen beim nächsten Treffen des Runden Tisches der Bundesregierung am 30. September einen Vorschlag machen, wie mit den Ansprüchen von Missbrauchsopfern umzugehen ist. Einen Entschädigungsbetrag wollen sie aber auch dann noch nicht nennen, machte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Robert Zollitsch am Donnerstag in Fulda deutlich.
Es gehe nicht in erster Linie um Geld, sondern darum, „Opfer dabei zu unterstützen, ihr Opferschicksal zu überwinden und neue Stärke zu gewinnen“. Die Bischöfe wollten eine „gesamtmenschliche Hilfe“ anbieten, etwa durch Therapien. Sie seien auch zu finanziellen Hilfen bereit, betonte Erzbischof Zollitsch. Vielen Opfern gehe es aber gar nicht um Geld, In deutlichen Worten kritisierte Zollitsch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, die die Kirche ermuntert hatte, mit Entschädigungszahlungen zu beginnen. Er habe sich „sehr gewundert über die Aufforderung von Frau Bergmann“. Das klinge für ihn so, als habe sie sagen wollen: „Macht ihr euch schon mal Gedanken, damit wir sie uns nicht mehr machen müssen.“
Vor einigen Tagen waren die Jesuiten, in deren Einrichtungen viele Kinder missbraucht worden waren, vorgeprescht: Sie hatten eine Entschädigung in einer Größenordnung von 5000 Euro angeboten. Opfervertreter hatten rund 80000 Euro gefordert. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, nannte es „verhängnisvoll“, dass sich die Debatte auf Zahlen zuspitze. Wichtiger sei, den Betroffenen zu helfen, aus der Opferrolle herauszukommen. Der Begriff „Täterinstitution“ sei ein „Unwort“ und klinge so, „als ob die Kirche eine kriminelle Vereinigung wäre“.
„Nähe-Distanz-Verhältnis“
Die Bischöfe beschlossen eine Rahmenordnung, um in Einrichtungen der Kirche künftig Missbrauch zu verhindern. Demnach müssen kirchliche Mitarbeiter ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und ehrenamtliche Helfer eine Selbstverpflichtung unterzeichnen. Ein Verhaltenskodex soll ein angemessenes „Nähe-Distanz-Verhältnis“ zu Minderjährigen festlegen.
Das Thema sexueller Missbrauch soll bei jedem Vorstellungsgespräch eine Rolle spielen. Die Grundordnung sieht einen Präventionsbeauftragten in den Bistümern vor, der Mitarbeiter berät, Qualitätsstandards entwickelt und Fortbildungen organisiert. Zollitsch kündigte ein Treffen aller Leiter der Priesterseminare an. Die Bischofskonferenz hat auch eine Homepage eingerichtet: www.praevention-kirche.de
Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ warf der Bischofskonferenz vor, die Chance zu einer Vorreiterrolle vertan zu haben. Es gebe viele Ankündigungen, aber wenig Handeln, sagte er der Rundschau. Die Bischöfen hätten „sehr unterschiedliches Problembewusstsein“. Der Schaden sei immens, das Signal verheerend.
Zuletzt geändert am 28.09.2010