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Veröffentlicht am 30­.09.2010

30.9.2010 - Weilburger Nachrichten

“Es gibt keine bessere Alternative zum Evangelium” – Herbsttagung von Wir sind Kirche in Eschhofen

Guten Tag, Weilburg! (30.09.2010, KS) Sie schimpfen auf die katholische Amtskirche, sie leiden unter ihr. Aber verlassen wollen sie diese Kirche nicht. Denn sie sagen von sich selbst: “Wir sind die Kirche!” Die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche lud am vergangenen Samstag zur Herbsttagung nach Limburg-Eschhofen ein und rund 40 Teilnehmer kamen. Viele bekannte Gesichter waren darunter, aber auch einige neue Teilnehmer. Vielleicht liegt es an der Krise der römisch-katholischen Kirche in einer Zeit, in der immer mehr Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder gerade auch in kirchlichen Kreisen bekannt werden.

Als Referent der Tagung kam Dr. Gotthard Fuchs (72), seit 47 Jahren Priester und in den Bistümern Limburg und Mainz Ordinariatsrat für Kultur, Kirche und Wissenschaft.

“Es gibt immer noch viel Grund zu Hoffnung und Zuversicht, aber es gibt keine Chance für die heutigen Strukturen in der Kirche,” sagte Dr. Fuchs gleich zu Beginn in seiner Vorstellung. Und dann erzählt er über ein Gespräch mit einem südamerikanischen Priester, der voller Zuversicht in die Zukunft war: “Schaut auf eure Mauer zwischen Ost und West – was nicht echt ist, kracht zusammen!”

Der Christ der Zukunft, so Fuchs, wird ein Pilger und ein Kovertit sein. Er wird sich bewusst für den Glauben an Jesus Christus und bewusst für ein Leben in der Kirche entscheiden. Dieser Christ wird wieder wissen, warum er an Gott glaubt.

Dr. Fuchs verglich die Amtskirche mit dem Mond, der die Sonne widerspiegelt. In einem uralten Bild stirbt der volle Mond, ist nicht mehr zu sehen, um dann als Neumond langsam wieder zuzunehmen. Genauso erleben wir, nach Fuchs, heute eine sterbende Kirche. Die ab dem 12. Jahrhundert geschaffenen kirchlichen Machtstrukturen brechen langsam zusammen. Die patriarchalische Kirche, die hierarchische Kirche, gehört unwiderruflich der Vergangenheit an. Viele Gläubige folgen ihr nicht mehr. Dies führt zu einem hoffnungsvollen Aufbruch. Fuchs zitiert: “Ich glaube mittels, dank und trotz der Kirche!” In jedem Sterbe- und Geburtsprozess gibt es schmerzhafte Auseinandersetzungen. “So, wie wir sie gerade jetzt erleben.”

Der Aufbruch der römisch-katholischen Kirche begann mit dem von Papst Johannes XXXIII. einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren. Am Rande des großen Konzils hatten sich einige wenige Bischöfe zusammengesetzt und mehr oder weniger radikale Gedanken zu einer Kirche des Aufbruchs formuliert. Dom Helder Camara, der später ermordete Bischof und die wichtigste Leitfigur der Befreiungstheologie, gehörte dazu. Das später Katakombenpakt genannte Papier war in der Folge nicht sonderlich erfolgreich, aber immerhin haben 1965, zum Ende des Konzils, 500 Bischöfe das Dokument als Gelübde unterschrieben.

Heute stemmt sich die römisch-katholische Amtskirche mit aller Kraft gegen dringend notwendige Reformen. Aber sie merkt, dass nichts zum Dogma, zum Glaubenssatz, erhoben werden kann, was vom Kirchenvolk nicht angenommen wird. Papst Paul VI. musste das schmerzlich mit seiner Enzyklika “Humanae Vita” erfahren, die auch heute noch als “Pillenenzyklika” in vieler Munde ist.

“Es gibt keine bessere Alternative zum Evangelium,” schloss Dr. Gotthard Fuchs sein Referat und löste damit langanhaltenden Beifall bei den Anwesenden aus. Auch wenn Henny Toepfer, Sprecherin von Wir sind Kirche im Bistum Limburg, in einem Nebensatz “…, dass wir seit 15 Jahren vor die Wand rennen …” sagt, zeigt dies nur die Hoffnung, dass die Wand eines Tages zusammenbrechen wird.

Über die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche ist zum 15. Jahrestag des KirchenVolksBegehrens am 13. September 2010 ein Beitrag erschienen.

Auf mittelhessen.de findet sich ein Beitrag von Dieter Fluck über die Herbsttagung: Katastrophenstimmung an der Basis

http://www.weilburger-nachrichten.de/2010/09/30/es-gibt-keine-bessere-alternative-zum-evangelium-herbsttagung-von-wir-sind-kirche-in-eschhofen/

Zuletzt geändert am 01­.10.2010