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Veröffentlicht am 14­.05.2010

14.5.2010 - Blog

Kann es „loyale Opposition“ im Katholizismus geben?

Im Religionsphilosophischen Salon wird im Umfeld des Ökumenischen Kirchentages darüber diskutiert, welchen Sinn die heute in „progressiven katholischen Kreisen“ beliebte Formel „Loyale Opposition in der katholischen Kirche“ hat. Diese Formel hat fast den Charakter eines Bekenntnisses, ist in jedem Fall aber ein Begriff, um eine Strömung innerhalb der katholischen Kirche zu „verorten“. Entscheidend ist dabei der oft nicht ausdrücklich mit gesagte Inhalt: „Wir sind katholisch, aber nicht römisch“. Oder: „Wir sind katholisch, fordern aber unermüdlich Reformen ein“. Ausdruck dieser Haltung ist etwa das Titelbild des Wiener Magazins „Kirche IN“, Ausgabe Mai 2010. Über einem ratlos dreinblickenden Benedikt XVI. steht die lapidare Aufforderung: „Abtrittsreif“. Das sind ungewöhnliche, durchaus neue Töne selbst für loyal Oppositionelle. Aber gedacht ist lediglich an einen Wechsel der Person des Papstes, also an eine Reform, nicht aber etwa an die Abschaffung des Papsttums, das wäre eine Reformation.

Zum weiten Umfeld der loyal Oppositionellen zählen die „Kirchenvolksbewegung“ und einzelne prominente Theologen, die sich selbst loyal oppositionell nennen, wie etwa Hans Küng. Ist es tatsächlich sinnvoll, innerhalb der Verfassung, die die römisch katholische Kirche seit Jahrhunderten hat, von einer loyalen Opposition zu sprechen? Oder ist es letztlich Ausdruck einer unerfüllbaren Sehnsucht, also Ausdruck einer Illusion, nach einer „anderen“ Kirche?

Opposition kann es in Militär – oder Parteidiktaturen geben als heimlichen Widerstand gegen die Herrschenden, etwa in Form von Untergrundbewegungen, geheimen Zirkeln, geheimen Verlagen (Samisdat), man denke an den „Archipel Gulag“ (UDSSR) oder die kleine Oppositionszeitung „Telegraph“ (DDR). Wenn das herrschende System Mitarbeiter der Opposition fassen konnte, wurden diese oft mit langen Lagerstrafen (etwa UDSSR) erniedrigt. Der Untergang des so genannten „realen Sozialismus“ verdankt sich aber nur zu einem sehr geringen Teil dieser Opposition, sondern vor allem ökonomischen Zwängen von innen und außen. Außerdem kann man die Kreise der Opposition in der UDSSR und anderswo sicher nicht loyale Opposition nennen. Denn sie wollten keine Reform des Unrechtstaates, sondern dessen Überwindung, sie wollten Demokratie, ein anderes „System“. Loyal waren sie bestenfalls zu den humanistischen Gedanken des frühen Marx…

Dann gibt es innerhalb der parlamentarischen Demokratien die Opposition, die zur jeweiligen demokratisch gewählten Regierung kritisch ist, aber loyal zur Idee der Demokratie steht und der Verfassung. Opposition hat das Ziel, durch bessere Argumente die Regierung bei der nächsten Wahl abzulösen. Loyale Opposition in der westlichen Welt ist also an Demokratie gebunden, ein demokratischer Machtwechsel ist möglich.

Angesichts dieser Tatsachen kann es innerhalb der römisch katholischen Kirche gar keine keine loyale Opposition geben. Denn diese Kirche versteht sich ausdrücklich nicht als Demokratie. Die loyalen oppositionellen Katholiken können sich also Kopf stellen und millionenfach ihre Argumente der Reform wiederholen: das System, also die herrschenden Hierarchen in Rom, braucht sich darum nicht im geringsten zu kümmern. Wenn es jetzt gewisse Veränderungen im Rechtsempfinden der römischen Kirchenführung gibt, anlässlich der Lawine der pädophilen Verbrechen durch Priester, dann sind es immer die Hierarchen in ihrer Allmacht allein, die Veränderungen vornehmen, etwa, dass „externe Gesprächspartner“ im Falle von Missbrauch eingeschaltet werden können. Aber diese sanften Veränderungen kommen nicht durch Debatten und Mehrheitsbeschlüsse zustande, sondern sind sozusagen Ausdruck einer Laune der Hierarchie, die spürt, andernfalls würde man sich doch allzu sehr blamieren. Allen anderen, beinahe ewig vorgetragenen „loyal – oppositionellen“ Forderungen verweigert die Hierarchie jegliche Aufmerksamkeit, in dem Sinne, dass sie diese Vorschläge aufgreift und realisiert. Die Hierarchie kann sich sogar mit gutem Gewissen von allen Reformvorschlägen abschotten, weil sie allein ja die angeblich „göttliche Lehre“ vertritt. An dieser absolut unbesiegbaren Betonmauer muss jeder loyal Oppositionelle scheitern.

Im Religionsphilosophischen Salon sollten Historiker einmal prüfen, welche Reformen denn in den letzten 50 Jahren tatsächlich Wirklichkeit wurden. Das Zweite Vatikanische Konzil selbst war ja bekanntermaßen ein Reformkonzil; aber wirklich radikale Reformen, wie synodale Entscheidungen oder Freigabe des Pflichtzölibats, hat es nicht beschlossen, weil der Klerus ja unter sich war in seiner Sonderwelt. In den Synoden dürfen zwar Bischöfe zwar beraten, aber die letzte Entscheidung bleibt ausschließlich beim Papst. Pfarrgemeinderäte können nach so Tolles demokratisch beschließen, die letzte Entscheidung liegt beim Priester oder dem Bischof usw. Mit anderen Worten:

Die Vorstellung, „loyale Opposition in der katholischen Kirche“ hätte auch nur den geringsten Anschein von wirksamer grundlegender Veränderung, ist eine Illusion. Mitglieder unseres Salons fragen sich, ob nicht Sisyphus der typische Heilige dieser Kreise sein sollte. Anders gesagt: Wie viel Energie wird verbraucht in der ewigen Wiederholung der ewigen Reformvorschläge, wo es doch keine Chance gibt, dieses System, wie in einer Demokratie eben durch Wahl, abzuschaffen. Darum wundern sich einige Mitarbeiter des religionsphilosophischen Salons über manche Aussagen wirken, etwa wenn Hans Küng erklärt: “Ohne mich hätten viele die Kirche aufgegeben, viele sagen mir: So lange Sie es in der Kirche aushalten, halte ich es auch aus.” Aber hat Hans Küng das System des Katholizismus verändert? Hat er eine Reformation eingeleitet? Kann man Christsein auf das „Aushalten“ in einem „System“ reduzieren?

Es herrschen jetzt, so schreibt auch Heribert Prantl in der SZ vom 12.5. 2010 (Seite 18) in der römischen Kirche wieder vor –reformatorische Zustände. Das ist treffend, wird leider bis jetzt selten gesagt. Das soll wohl heißen: Vergesst die Reformen, fordert eine Reformation? Aber: Gibt es eine Reformation, das lehrten schon Luther, Calvin und die anderen Reformatoren vor einem halben Jahrtausend, ohne das Papsttum als unkontrollierbares Machtinstrument abzuschaffen? Darf man in Deutschland über diese Frage diskutieren? Wird beim Ökumenischen Kirchentag in München diese Frage besprochen? Oder ist man mit dem Appellieren, mit dem Fordern von Reförmchen, zufrieden?

Quelle: http://waarnemingvandewerkelijkheid.blogspot.com/2010/05/kann-es-loyale-opposition-im.html

Zuletzt geändert am 26­.10.2010