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Veröffentlicht am 20­.11.2010

20.11.2010 - Berliner Morgenpost

Warten auf den Papst

Von Manuel Bewarder

Robert Zollitsch hatte fast recht behalten. Im vergangenen Jahr mutmaßte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Papst werde noch 2010 nach Deutschland und anlässlich der Feiern zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit auch nach Berlin kommen. Seit gestern ist klar: Um ein Jahr hat sich Zollitsch zwar verschätzt. Aber Benedikt XVI. wird demnächst doch erstmals die Hauptstadt besuchen.

Papst Benedikt XVI. kommt in der zweiten Septemberhälfte 2011 auf einer kurzen Deutschlandreise auch nach Berlin. Benedikt nahm damit eine Einladung von Bundespräsident Christian Wulff zu einem offiziellen Besuch an. Viel mehr steht allerdings noch nicht fest. Weil es sich in erster Linie um einen Staatsbesuch handele, müsse die genaue Planung zunächst mit allen Beteiligten abgesprochen werden. Das teilte das Erzbistum Berlin mit. Man hoffe aber, noch vor Weihnachten Details über den Besuch zu erfahren.

Zunächst bleibt also nicht viel mehr als abzuwarten, ob sich Benedikt auch der Öffentlichkeit präsentieren wird und vielleicht einen Gottesdienst abhält. Unklar ist auch, ob Benedikt auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche eingehen wird, dessen Aufklärung am Berliner Canisius-Kolleg auf Drängen des Rektors Klaus Mertes seinen Anfang nahm.

Freude über Besuchsankündigung

In der Hauptstadt herrscht Freude über die Besuchsankündigung. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte: "Der Besuch des aus Deutschland stammenden Kirchenoberhauptes in seinem Heimatland und in dessen Hauptstadt hat in seiner Einzigartigkeit historische Qualität." Bundespräsident Christian Wulff sagte: "Es ist mir und sehr vielen Menschen in unserem Land eine ganz besondere Freude und Ehre, den Heiligen Vater im 60. Jahr seiner Priesterweihe in seinem Heimatland begrüßen zu dürfen." Und auch das Erzbistum freut sich auf den Besuch. "Auch wenn dies ein offizieller Besuch ist, so bleibt er doch auch immer pastoral", sagte Stefan Förner, Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats Berlin. Er geht zudem davon aus, dass ein Gottesdienst oder Gebet in dem Programm vorkommen werde. Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Er hält sich seit Donnerstag im Vatikan zum Kardinalskonsistorium auf. Hierzu lädt der Papst immer ein, wenn er neue Kardinäle benannt hat. Morgen werde Sterzinsky zurück nach Berlin reisen, kündigte sein Sprecher an.

Als er noch nicht Papst war, hielt Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2000 als Präfekt der Römischen Glaubenskongregation einen Vortrag in der bayerischen Landesvertretung in der Hauptstadt. Ratzinger war auch dabei, als Johannes Paul II. als Papst 1996 vor etwa 90 000 Menschen im Olympiastadion predigte.

In Städte, in denen der Papst auftritt, reisen meist Hunderttausende Pilger. Der Besuch wird wahrscheinlich auch den Tourismus ankurbeln. "Es ist ein besonderes Ereignis, wenn solch ein bedeutender Gast in die Hauptstadt reist", sagt Natascha Kompatzki von Berlin Tourismus Marketing. "Das wird Berlin wieder weltweit in die Medien bringen und die Neugier auf die Destination weiter ankurbeln." Auch beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga freut man sich über den "Besuchermagnet Papst", so Kerstin Jäger, Assistentin der Geschäftsführung. Das werde den September als Reisemonat zusätzlich attraktiv machen - bereits der Marathon locke viele Gäste in die Stadt.

In der Vergangenheit war oft über einen Papstbesuch in Berlin diskutiert worden. Die 20. Jahrestage des Mauerfalls oder der Wiedervereinigung beispielsweise boten Anlass für Spekulationen. Nun kommt Benedikt bei seinem dritten Besuch in Deutschland auch nach Berlin. Bereits kurz nach der Papstwahl im Jahr 2005 begeisterte er auf dem Weltjugendtag in Köln Hunderttausende. Im September 2006 besuchte er in seiner bayerischen Heimat München, Altötting, Marktl am Inn, Regensburg, Pentling und Freising.

Im kommenden September reist der Papst auch nach Erfurt und Freiburg. Der Schwerpunkt des Besuchs liege allerdings ohne Zweifel in Berlin, sagte der Erfurter Bischof Joachim Wanke. In Thüringen werde sich Benedikt wahrscheinlich nur einen Tag aufhalten. Viele der vergangenen Auslandsreisen des Papstes dauerten meist bis zu fünf Tage.

Das Erzbistum Berlin ist mit 31 200 Quadratkilometern das drittgrößte Deutschlands. Auch Vorpommern und Teile Brandenburgs gehören dazu. Trotz dieser Größe sind gerade einmal 6,8 Prozent der Einwohner katholisch. In Köln sind es beispielsweise 41,1 Prozent, in München sogar 51,5. Der Sprecher des Bistums sieht in dem Besuch deshalb auch eine "Ermutigung für die Menschen hier."

Krise nach Missbrauchsskandal

Benedikt trifft in Deutschland auf eine Kirche, die nach dem Missbrauchsskandal in einer tiefen Krise steckt. Im Januar hatte der Rektor des Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, den systematischen Missbrauch von Kindern an der Schule in den 70er- und 80er-Jahren publik gemacht. Mertes brachte eine Lawine ins Rollen: Überall in Deutschland geht die Kirche nun dem Missbrauch in den eigenen Reihen nach. Viele kehrten der katholischen Kirche den Rücken - auch in Berlin.

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht im geplanten Deutschland-Besuch deshalb eine schwierige Mission. Die Berliner Vertreterin der Bewegung, Ingrid Fuhrmann, fordert klare Worte vom Papst zu den Missbrauchsfällen. Vor allem müsse sich Benedikt hinter Mertes stellen, der für manche mit seiner Aufarbeitung die Kirche zerstöre. "Der Papst sollte sagen, dass das Verhalten des Rektors korrekt war", so Fuhrmann. "Und, dass er kein Nestbeschmutzer war, sondern dass er sich für ein offenes Umgehen mit dem Problem eingesetzt und die Aufbereitung vorangetrieben hat."

Dennoch freut sich Fuhrmann auf den Papst. Auch sie hofft, Benedikt vielleicht in einem Gottesdienst zu erleben. "Das Olympiastadion wäre dafür doch geeignet."
Das könnte klappen. Im Terminkalender des Stadions ist für den kommenden September bisher nur die deutsche Firmenlaufmeisterschaft eingetragen.

http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1456980/Warten-auf-den-Papst.html

Zuletzt geändert am 20­.11.2010